006 - Der Teufelskreis
ist nichts Lustiges«, meinte er.
»Es war auch gar nicht spöttisch gemeint«, erwiderte sie. »Ich weiß nur nicht, was ich davon halten soll.« Sie schüttelte sich demonstrativ und drängte sich an ihn. »Diese Kretins, die dich im Vanilla aufstöberten, könnten glatt bei Barney's Sado-Maso-Show mitmachen. Aber wie dem auch sei, bei mir bist du vorerst in Sicherheit. Nur – weißt du schon, wie es weitergehen soll?«
»Keine Ahnung.«
»Wenn du ein sicheres Versteck brauchst, dann wüßte ich eines für dich. Dort könntest du dich tagelang verkriechen, ohne daß man dich findet.«
»Tatsächlich? Laß hören.«
»Du nimmst mich nicht ernst«, sagte sie schmollend. »Habe ich dir schon gesagt, daß ich Schauspielerin bin?«
»Nein«, sagte er, »aber ich habe die ganze Zeit über den Verdacht gehabt, daß du mir etwas vorspielst.«
Sie ging nicht auf diese Spitze ein. »Ich habe ein Engagement im Realization . Es gibt bekanntere Bühnen am Broadway, ich weiß, aber man muß klein anfangen. Und für eine Schauspielerin, die noch keinen Namen hat und auf die große Chance wartet, ist das Realization gerade richtig. Dort tauchen immer wieder Talentsucher auf, und schon viele haben von dort ihren Weg nach oben gemacht.«
»Ich werde dir die Daumen drücken«, versprach Dorian.
Sie zupfte ihn an den Brusthaaren. »Sei nicht albern!« verlangte sie. »Ich will ja keinen Monolog über meine beruflichen Probleme halten. Das war doch nur die Einleitung. Ich habe im Realization eine eigene Garderobe, in der niemand außer mir etwas zu suchen hat. Es steht sogar ein Bett darin, weil ich oft nach der Vorstellung gar nicht mehr nach Hause gehe. Es ist recht gemütlich dort, und man könnte es schon einige Tage aushalten.«
»Ich nicht«, erklärte der Dämonenkiller.
»Wirklich, Rian, wenn du auf der Flucht bist, dann gibt es für dich keinen sichereren Ort. Dort findet dich bestimmt niemand.«
Er lächelte und tätschelte ihr den nackten Po. »Ich werde mir dein Angebot ernsthaft überlegen«, versprach er. »Vielleicht komme ich darauf zurück.«
»Ich könnte dich sofort hinbringen«, bot sie ihm an. »Heute ist keine Vorstellung. Da ich einen Schlüssel für den Schauspielereingang habe, könnte ich dich unbemerkt hineinschmuggeln.«
»Ich werde es mir überlegen«, sagte er wieder.
Sie schwang sich aus dem Bett. »Wie du meinst. Ich nehme erst einmal ein Bad.«
Sie warf ihm noch eine Kußhand zu und verschwand dann durch die Verbindungstür ins Badezimmer. Dorian wartete, bis er das Rauschen des in die Badewanne einfließenden Wassers hörte, dann griff er nach dem Telefon und wählte die Nummer von Mortons Büro in der Chrystie Street. Als sich die Tonbandstimme meldete, legte er sofort wieder auf und rief in Mortons Atelier an. Schon nach dem ersten Läuten wurde abgehoben und eine ihm vertraute Stimme meldete sich.
»Tim, hier ist Dorian«, sagte Dorian gedämpft in die Sprechmuschel. »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie erleichtert ich bin, Sie zu erreichen.«
»Und ich bin erst erleichtert!« erklärte Morton. »Was ist denn los mit Ihnen, Dorian? Hat Ihnen York nicht meine Nachricht überbracht?«
»Doch. Und ich habe die Verabredung auch eingehalten«, erwiderte Dorian. »Ich war um Punkt sechs im Blue Vanilla .«
»Was in Gottes Namen hat Sie denn in diesen Schuppen getrieben?«
Dorian mußte zuerst den Kloß hinunterschlucken, der ihm plötzlich in der Kehle steckte, bevor er sagen konnte: »Ich habe natürlich auf Ihre Kontaktperson gewartet – wie es vereinbart war.«
Es entstand eine kurze Pause, dann meldete sich Morton wieder. »Dorian, Sie müssen sich irren. Vom Vanilla war keine Rede. Ich habe Sie gebeten, heute abend um sechs zu mir ins Atelier zu kommen. Und ich habe absichtlich York als Überbringer der Nachricht gewählt, weil er geistesgestört und deshalb vor den Dämonen sicher ist.«
»Dann verstehe ich nicht, wie er mir eine falsche Nachricht überbringen konnte«, meinte Dorian. »Ich bin sicher, daß auf dem Zettel das Vanilla als Treffpunkt stand. Mir ist schleierhaft, wie es den Dämonen gelang, den Text zu verändern. Das wäre nur möglich gewesen, wenn York den Zettel für kurze Zeit aus der Hand gegeben hätte … Moment mal! Mir fällt gerade ein, daß York mir die Nachricht nicht überreicht hat. Als ich danach griff, ließ er den Zettel einfach fallen und rannte davon. Danach lag der Zettel etliche Sekunden auf der Erde. Glauben Sie, daß dieser
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