006 - Der Teufelskreis
Zeitraum den Dämonen gereicht hat, um den Text zu verändern?«
»Verdammt!« fluchte Morton. »So muß es gewesen sein. Wo sind Sie jetzt, Dorian?«
»In einem Apartment in der River East Street, bei einem Mädchen, das mich im Vanilla aufgelesen hat. Durch ihre Hilfe konnte ich den Freaks mit knapper Not entkommen. Ich glaube nicht, daß ich mich in akuter Gefahr befinde.«
Morton seufzte. »Inzwischen hat sich allerhand ereignet. Die Dämonen sind bereit, sich mit den Freaks an den Verhandlungstisch zu setzen. Sie haben mir sogar zugesichert, den Mörder Jimmys auszuliefern.«
»Gratuliere!« sagte Dorian mit belegter Stimme.
»Einfach wird es nicht sein«, fuhr Morton fort. »Ich mache mich auf ein hartes Ringen gefaßt. Aber die Chancen, den Straßenkrieg zu beenden, stehen gut. Die Verhandlungen sollen in zwei Stunden beginnen. Beide Parteien haben zugesichert, weder weiße noch schwarze Magie einzusetzen. Um sicherzugehen, daß keiner den anderen reinlegen kann, werden die Friedensverhandlungen auf neutralem Boden stattfinden. Ich möchte, daß Sie dabei sind, Dorian. Ist es Ihnen möglich zu kommen?«
»Sie brauchen mir nur zu sagen wohin.«
»Ins Realization Theater . Das ist …«
»Geschenkt«, unterbrach ihn Dorian und blickte kurz zur Badezimmertür, die noch immer geschlossen war. »Sie brauchen mir den Weg dorthin nicht zu erklären. Ich habe einen ortskundigen Führer. Das Mädchen, das ich im Vanilla getroffen habe, hat mir angeboten, mich in diesem Theater vor den Freaks zu verstecken. Was sagen Sie nun, Tim?«
»Mir bleibt die Luft weg«, gestand Morton. »Da ist irgend etwas ganz und gar faul.«
»Oberfaul«, bestätigte Dorian.
»Trotzdem. Nehmen Sie das Angebot des Mädchens an. Gehen Sie ins Realization .«
»Wenn Sie meinen, Tim«, sagte Dorian unbehaglich.
»Lassen Sie mich nur machen. Und lassen Sie sich jetzt nichts anmerken und tun Sie so, als ob Sie dem Mädchen vertrauen. Das ist ja sehr interessant.«
»Tim?«
»Ja?«
»Glauben Sie an meine Unschuld?«
»Wie an meine eigene, Dorian«, versicherte Morton. »Und ich werde alles tun, um Sie auch vor den Freaks zu rehabilitieren.«
»Danke.« Dorian zuckte erschrocken zusammen, als er am Fenster ein Geräusch hörte. »Ich muß jetzt einhängen, Tim. Bis in zwei Stunden also!«
Er legte den Hörer auf. Am Fenster ertönte wieder das Geräusch. Dorian erhob sich langsam vom Bett, ging zum Fenster und riß die Vorhänge zur Seite. Vor dem Fenster baumelte die Gestalt eines einbeinigen Mannes. Aus seinem Körper ragten zwei Krücken, die irgend jemand mit unglaublicher Wucht durch ihn hindurchgetrieben hatte.
Als Dorian auch am zweiten Schlafzimmerfenster ein Geräusch vernahm und den Vorhang zur Seite zog, bot sich ihm ein nicht minder schrecklicher Anblick. Dort hing ein Gnom, der mit den Händen an den Fensterrahmen genagelt war. Seine Kehle war zerrissen, und sein Kopf baumelte im Nacken.
Der Dämonenkiller mußte sich abwenden und sah daher nicht, daß sich fünf Stockwerke tiefer auf der Straße einige Freaks eingefunden hatten, die zu den Schlafzimmerfenstern hinaufblickten.
Die Badezimmertür ging auf, und Lilli kam ins Schlafzimmer. Als sie die beiden Toten vor den Fenstern sah, blieb sie stehen. Ihr Gesicht war eine starre Maske, als sie sagte: »Hier bist du nicht mehr sicher, Dorian.«
Das war ihre ganze Reaktion. Sie zeigte weder Angst noch Ekel oder Panik, sondern reagierte kalt wie eine Puppe.
»Besteht dein Angebot noch?« wollte er wissen.
»Ich ziehe mich nur an, dann fahre ich dich ins Theater.«
Dorian hatte das Gefühl, zu seiner Hinrichtung zu fahren. Lilli lenkte den gelben Chrysler in einem Wahnsinnstempo die Ausfahrt hinauf und auf die Straße hinaus. Die Freaks stoben in wilder Panik auseinander, als der Wagen auf sie zuschoß. Dorian atmete erst auf, als sie an den Mißgestalteten vorbei waren und er feststellte, daß Lilli keinen von ihnen überfahren hatte.
»Hoffentlich können sie uns nicht folgen«, sagte Dorian mit einem Blick zurück, denn er sah, wie die Mißgeburten in einen Wagen kletterten.
»In der Houston Street wird der Verkehr dichter«, entgegnete Lilli. »Dort werden wir sie abhängen.«
Sie sollte recht behalten. In der East Houston Street reihten sich die Autos in einer endlosen Kolonne dicht aneinander. An eine Verfolgung war hier nicht zu denken. Allerdings kamen sie selbst auch nicht viel schneller als im Schrittempo voran. Dorian blickte sich immer wieder um,
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