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006 - Die Schuld des Anderen

006 - Die Schuld des Anderen

Titel: 006 - Die Schuld des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Geschmack. Er besaß eine Reihe von Bildern moderner Maler, die er sich, auf sein eigenes Urteil abstellend, zusammengetragen hatte.
    Um sechs Uhr abends kam Bell nach Hause und ging sofort in sein großes Arbeitszimmer. Er setzte sich an den Schreibtisch und sah die Briefe durch, die gekommen waren. Meistens handelte es sich um Einladungen zu gesellschaftlichen Veranstaltungen.
    Abwesend strich seine Hand über die Tasten der Reiseschreibmaschine, die vor ihm stand. Schließlich drückte er auf einen Klingelknopf und wartete, bis der Diener hereinkam.
    »Ich habe gestern einen Gummistempel in Auftrag gegeben. Ist er schon gekommen?« fragte er.
    »Jawohl, Sir. Vor einer Stunde wurde er abgeliefert.«
    Der Diener lief hinaus und kam gleich darauf mit einem Päckchen zurück.
    Es enthielt einen kleinen Gummistempel und ein Stempelkissen. Bell nahm den Stempel heraus und besah ihn von allen Seiten. Es war ein Faksimile seiner eigenen Unterschrift. Er hatte es bei seiner Bank durchgesetzt, daß ein Scheck ausbezahlt wurde, wenn er damit gestempelt war. Es hatte einiger Überredung bedurft, bis die Bank damit einverstanden gewesen war. Der Bankdirektor selbst hatte ihm auseinandergesetzt, daß das ein großes Risiko sei.
    Bell legte den Gummistempel in eine kleine Kassette, verschloß sie und steckte den Schlüssel in seine Westentasche.
    »Parker«, wandte er sich wieder an den Diener, »ich werde England in einigen Wochen verlassen, und ich möchte, daß Sie auf das Haus achtgeben. Selbstverständlich habe ich dafür gesorgt, daß Ihr Gehalt regelmäßig ausgezahlt wird. Einige Instruktionen erhalten Sie dann noch.«
    »Werden Sie lange fortbleiben, Sir?«
    Bell zögerte einen Augenblick.
    »Es ist möglich, daß ich - einige Jahre im Ausland bin.«
    »So lange, Sir?«
    Bell trat ans Fenster und schaute geistesabwesend hinaus. Der Diener machte eine Bewegung, als ob er gehen wollte.
    »Warten Sie noch einen Augenblick, Parker«, sagte Bell, ohne sich umzudrehen, und blieb eine ganze Weile so stehen, als ob er selbst nicht wüßte, was er sagen sollte. Irgendein Entschluß schien ihm schwerzufallen. »Ich werde mich verheiraten.«
    Jetzt hatte er es gesagt und schien sich erleichtert zu fühlen. Vielleicht würde er jetzt den Mut finden, es auch allen seinen Bekannten zu sagen.
    »Ich bin im Begriff, mich zu verheiraten«, wiederholte er halblaut.
    »Darf ich mir erlauben, Ihnen mit allem Respekt zu gratulieren -«, sagte Parker ein wenig kleinlaut.
    »Wegen Ihrer Stellung brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Für Sie wird sich nicht viel ändern, da ich, wie gesagt, mit meiner Frau im Ausland leben werde.«
    Eine Pause entstand.
    »Darf ich mir die Frage gestatten, ob ich die Dame kenne?«
    »Das ist anzunehmen.« Bell biß sich nervös auf die Lippen. »Wahrscheinlich kennen Sie sie.« Wieder trat eine Pause ein. »In etwa einer Stunde erwarte ich Mrs. Granger Collak. Führen Sie die Dame herein.«
    Parker machte eine Verbeugung und ging hinaus. Bell setzte sich wieder an den Schreibtisch. Er dachte an Mrs. Granger Collak und an das, was über sie geredet wurde. Ihr Ruf war wirklich nicht der allerbeste. Diese ungewöhnlich schöne Frau führte einen Lebenswandel, den auch großzügige Leute als ziemlich unmoralisch bezeichneten.
    Er schaute sich im Zimmer um und mußte trotz der Sorgen, die ihn bedrückten, lächeln. Sollte er sie heiraten, dann würde sie das Haus vollständig auf den Kopf stellen. Mit seinem großen Vermögen würde sie höchstwahrscheinlich auch bald fertig sein - oder zumindest in aller Harmlosigkeit versuchen, ihn finanziell zu ruinieren. Die Leute würden hinter seinem Rücken lachen und ihn bemitleiden - aber was brauchte ihn das schließlich zu kümmern! Wenn nur seine Mutter nichts davon hörte -doch die wohnte in den Vereinigten Staaten und lebte so zurückgezogen, daß der Londoner Klatsch kaum zu ihr dringen konnte. Sicher, ein wenig bestürzt wäre sie bestimmt über die leichtlebige Schwiegertochter. Aber schließlich gab es noch schlimmere Dinge auf der Welt.
    In gewisser Weise war Mrs. Granger Collak eine sehr kluge Frau. Vor allem hatte sie es verstanden, bei all ihren Eskapaden stets einen gewissen Stil zu wahren. Er wußte zum Beispiel, daß sie schweigen konnte wie das Grab, wenn es Not tat. Das hatten erst kürzlich die Rechtsanwälte während ihres skandalösen Ehescheidungsprozesses erfahren.
    Jetzt wollte sie reisen und brauchte Geld. Das konnte er ihr geben. Er wollte

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