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006 - Die Schuld des Anderen

006 - Die Schuld des Anderen

Titel: 006 - Die Schuld des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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sechsten Tag nach dem Erscheinen der aufsehenerregenden Story traf bei der Redaktion des ›Post Journal‹ ein in Luzern aufgegebener Brief ein. Er war mit der Maschine auf einem Briefbogen des ›Hotel Schweizerhof‹ getippt und lautete:
›Sehr geehrte Herren,
wir haben mit Verwunderung die Ausführungen Ihres Berichterstatters gelesen, der sich den Kopf darüber zerbricht, wo wir unsere Flitterwochen verbringen. Allerdings können wir nicht recht einsehen, warum sich die Öffentlichkeit mit unseren Privatangelegenheiten beschäftigen soll. Wir wären Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie uns in Zukunft nicht mehr mit solchen Veröffentlichungen belästigen würden. Als Privatpersonen legen wir Wert darauf, in Ruhe gelassen zu werden, und wir erwarten von Ihnen, daß Sie dies Ihren Lesern bekanntgeben. Wenn Sie schon so sehr um unser Wohlergehen besorgt sind, dann bitten wir Sie, sich um uns und unsere Reise nicht weiter zu kümmern.‹
    Unterschrieben war der Brief mit ›Comstock Bell‹. Darunter stand in einer weicheren Handschrift ›Verity Bell‹.
    Der Chefredakteur des ›Post Journal‹ übergab das Schreiben dem ziemlich niedergeschlagenen Jackson und sparte nicht mit unhöflichen Begleitbemerkungen.
    »Ihr Bericht hat uns in eine mißliche Situation gebracht! Jetzt stehen wir als die Düpierten da!«
    »Wäre es nicht ratsam«, schlug Jackson vor, »zunächst einmal in Luzern anzufragen, ob die Bells tatsächlich dort im Hotel wohnen oder gewohnt haben?«
    Der Chefredakteur wurde noch um eine Spur ungehaltener.
    »Ich wüßte nicht, warum wir noch mehr Zeit und Kraft an diese Sache verschwenden sollten!« erklärte er energisch. »Wenn die Bells herausbekommen, daß wir hinter ihnen herspionieren, können sie recht unangenehm werden.«
    Jackson war klug genug, nichts weiter zu erwidern.
    Gegen halb elf Uhr erschien der Lokalredakteur im Büro des Chefs.
    »Wir haben heute keine einzige interessante Nachricht, die sich als Aufhänger für eine Schlagzeile eignen würde«, klagte er.
    »Das habe ich mir schon gedacht. Ist denn bei Gericht im Old Bailey nichts los?«
    »Nur ein oder zwei Fälle«, erwiderte der andere gelangweilt.
    »Ein gewisser Willetts wurde wegen Fälschung einer Fünfzigpfundnote angeklagt.«
    »Na, dann haben wir wenigstens etwas - das ist doch auch ein außergewöhnlicher Fall! Können Sie denn daraus nichts machen?« Der Redakteur schüttelte den Kopf.
    »Die Sache liegt zehn Jahre zurück, und der Mann hat seine Schuld glatt gestanden. Außerdem wurde die Fälschung in Paris begangen, und es handelte sich nur um eine einzige Banknote.«
    »Wie lautet das Urteil?«
    »Ein Jahr Gefängnis.«
    »Warten Sie mal!« Der Chefredakteur rieb sich die Stirn. »War das nicht zu der Zeit, als ein paar Studenten den ›Klub der Verbrechen gründeten?«
    »Stimmt. Bei der Gerichtsverhandlung ist davon aber nichts erwähnt worden. - Am besten wird es sein, wenn wir die Vorgänge in der heutigen Parlamentssitzung zu einer guten Geschichte verarbeiten.« In diesem Augenblick wurde dem Lokalredakteur ein Telegramm gebracht. Er las es und reichte es dann dem Chef. »Von unserem Mitarbeiter Davis, der gerade seinen Urlaub in Luzern verbringt!«
    »Hm!« meinte der Chefredakteur. »Das ist allerdings äußerst merkwürdig.«
    Das Telegramm hatte folgenden Wortlaut:
›Mr. und Mrs. Comstock Bell sind weder im Hotel Schweizerhof noch anderswo abgestiegen. Der Name ist im Fremdenregister nicht zu finden.‹
    Der Chefredakteur klingelte seiner Sekretärin.
    »Rufen Sie Mr. Jackson - ich möchte ihn gleich sprechen…« Er lief im Büro auf und ab, bis Jackson hereinkam, dem er das Telegramm entgegenstreckte. »Eine glänzende Wendung! Machen Sie eine gute Geschichte daraus - aber schnell!«

21
    Zwei Wochen später kehrte Wentworth Gold nach London zurück. Die Meinungsverschiedenheiten waren bereinigt und wieder eingerenkt worden, seine Vorgesetzten hatten endlich begriffen, wie kompliziert seine Aufgabe war, und ihn äußerst zuvorkommend behandelt.
    Auf der Rückfahrt nach England hatte Gold genügend Zeit, über Comstock Bell und dessen Frau nachzudenken. Nicht zuletzt die amerikanischen Zeitungen, die sich in großer Aufmachung mit dem Fall beschäftigt hatten, waren schuld daran, daß er täglich an seinen seltsamen Freund erinnert wurde.
    Vor allem war es der Fund, den Gold in Comstocks Haus am Cadogan Square gemacht hatte, an dem er herumrätselte. Es handelte sich um die Umschlaghülle des

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