0060 - Das Kastell der Toten
wechseln.
»Ja, habe ich!«
»Und? Was halten Sie davon?«
»Irgendwer muss Sie geläutet haben!«
»Und wenn das nicht so wäre?«
»Wieso, Señor?«
»Weil ich gestern nacht auf der Burg war und mit eigenen Augen gesehen habe, dass niemand die Glocken in Bewegung gesetzt hat!«
»Aber das gibt’s doch nicht!«, rief der Pfarrer erstaunt aus.
»Doch! Und die Möwen? Warum haben die wie verrückt geschrien? Geben Sie mir dafür eine vernünftige Erklärung und ich verlasse Estaquiro noch heute!«, schoss Bill seine Fragen ab.
»Ja, die haben gekreischt! Seltsam, während der Nacht habe ich noch nie Möwen schreien gehört! Bei Gott, Sie haben recht! Irgend etwas geht hier vor!«
»Und das hängt mit dem Kastell zusammen!«
»Wahrscheinlich, Señor! Ich war dort oben noch nie. Die Einheimischen haben mich davor gewarnt. Sie erzählten mir, dass noch keiner, der das Kastell betreten hat, es lebend verließ. Ich dachte auch, das ist reiner Quatsch, aber seit heute Nacht, bin ich mir da nicht mehr so sicher!«
»Auf jeden Fall haben die Leute übertrieben, Padre! Ich bin schon seit einigen Tagen da oben und lebend zurückgekehrt, wie Sie sehen!«
»Ja, die Menschen hier neigen ein bisschen zu Übertreibungen!«, stimmte der Geistliche zu.
»Wie kommen Sie eigentlich hierher?«, erkundigte sich Bill.
»Ich war ein wenig zu fortschrittlich für kirchliche Begriffe. Früher war ich in Madrid, wo ich auch studiert habe. Man hat mich hierher versetzt!« Ein wehmütiges Lächeln umspielte den schmalen Mund des Pfarrers.
»Heute kommt ein berühmter Parapsychologe nach Estaquiro, Padre. Sein Name ist Zamorra. Ich werde mit ihm gemeinsam versuchen, das Geheimnis der Ruine zu lösen! Und ich schwöre Ihnen, wenn da oben die erstandenen Templer wirklich ihr Unwesen treiben, werden wir sie vernichten! Ich wollte Sie nur fragen, ob wir auf Ihre Hilfe zählen können! Entweder sind Sie für uns, oder wie die Einwohner gegen uns, Padre! Sie können sich entscheiden!«
»Sagten sie Templer?«, murmelte Bills Gesprächspartner, ohne auf dessen Frage zu antworten.
»Ja, Templer!«, wiederholte Bill eindringlich.
»So was ist mir auch schon zu Ohren gekommen! Ich habe einmal die Männer in der Kneipe belauscht, denn sie würden nie in meiner Gegenwart davon reden! Einer von ihnen, der Schmied, glaube ich, meinte, dass die fünfzig Jahre bald um sein müssten, und dass sich die Templer wieder aus ihren Gräbern erheben würden, um Opfer zu verlangen!«
»Na also, da haben wir ja schon wenigstens etwas!«, sagte Bill und fuhr fort: »Das Merkwürdige daran ist nur, dass ich keinen Friedhof oben auf dem Berg entdecken konnte!«
»Was das wohl für Opfer sind?« In Sanchez’ Stimme schwang eine gewisse Unsicherheit mit.
»Wahrscheinlich Menschenopfer!« Bill sprach das aus, was der Pater nicht auszusprechen gewagt hatte.
Er nickte nur nachdenklich.
»Jetzt verstehe ich auch, warum die Menschen hier so ängstlich sind! Sie haben Angst, dass ich ihre Opfer verhindern könnte, denn es ist möglich, dass dann die Templer ihr Dorf vernichten! Zum Spaß opfern die einfachen Menschen hier bestimmt nicht!«
»Ja, aber heute nacht, da war doch von den Kreuzrittern weit und breit nichts zu sehen!« Alberto Sanchez sah den Wissenschaftler fragend an.
»Das ist mir auch ein Rätsel! Vielleicht war das nur der Auftakt! Sozusagen die Ruhe vor dem Sturm! So kam es mir nämlich vor!«
»Santa Maria! Wenn unsere Thesen stimmen, dann…«
Die beiden Männer redeten noch ein paar Minuten, kamen aber zu keinem Ergebnis. Schließlich verabschiedete sich Bill und saß schon wenig später hinter dem Steuer seines Range Rovers. Es war Zeit, Zamorra und Nicole Duval abzuholen.
Bill wollte die beiden nicht warten lassen, zumal es noch ein anstrengender Tag werden würde!
***
Es ging bereits auf elf Uhr, als die kleine Chartermaschine auf dem holprigen Flugfeld nahe Aquatila aufsetzte.
Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel. Die drückende Hitze wurde nur durch den sanften Wind, der vom Meer heraufstrich, etwas gemildert. Unermüdlich zirpten die Zikaden und die Wedel der Palmen wiegten sich zu einer unhörbaren Melodie.
Das Flugzeug wirbelte dichte Sandwolken hoch.
Bill spie aus, er hatte einen salzigen Sandgeschmack im Mund.
Nach einigen hundert Meter war die Maschine zum Stillstand gekommen. Sie stand jetzt dort, wo noch einige andere Sportmaschinen – die den Besitzern von großen Haziendas, die weiter landeinwärts lagen,
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