0060 - Der Geisterfahrer
Funk.
»Hier ist John. Ich lege jetzt einen Zahn zu. Sieh du zu, daß du heute noch mit deiner alten Mühle von Auto zur Burg gelangst. Roger.«
»Fahr nicht zu toll, du Rocker«, ertönte Wills Antwort aus dem Helmmikrophon, das mit dem Funkgerät gekoppelt war. »Ich habe keine Lust, dich ins Krankenhaus zu bringen. Over.«
Ich zog an Will Mallmann vorbei und gab Gas. Die Abendsonne schien zwischen den Wolken. Die Fahrt durch den Taunus auf der starken Maschine war herrlich. Der Fahrtwind sauste mir um die Ohren, das gleichmäßige Dröhnen des Motors war wie Musik. Das Vibrieren der Maschine drang durch meinen ganzen Körper.
Nur eine flotte Motorradbraut fehlte mir noch. Zwanzig Minuten vor Will Mallmann kam ich bei der Burg an. Auf dem Burghof stellte ich den Motor ab, das Dröhnen erstarb.
Suko, Roxane und Gisela stürzten aus dem Quartiergebäude, kaum daß sie mich erkannt hatten.
»Jean und Bernard sind verschwunden!« riefen sie, bevor ich noch ein Wort geäußert hatte.
***
»Ich liebe Roxane. Ich will sie erobern oder sterben. Am kommenden Tag dringe ich mit Jean in die Gewölbe von Burg Felseneck vor, um den Höllenspuk ein für allemal zu vernichten. Roxane soll erkennen, daß ich durchaus neben John Sinclair bestehen kann.«
Das lasen wir in Bernard Rogets Tagebuch. Wir hatten es in seinem Rucksack gefunden, als wir die Eigentümer der jungen Franzosen durchsuchten, um einen Hinweis zu erhalten. Wir fünf sahen uns an.
Ich hatte Englisch gesprochen, auch Suko wußte Bescheid.
»Dieser närrische kleine Kerl«, sagte Roxane. »Nie hätte ich geglaubt, daß er es so ernst meinte.«
Bernard Roget hatte vor Liebe und Eifersucht den Kopf verloren und seinen Freund Jean Arnois mit ins Verderben hineingerissen. Wir mußten ihnen helfen, hoffentlich schafften wir es noch rechtzeitig.
Von Roxane wußte ich bereits, daß die alten Gewölbe und Geheimgänge vermauert waren. Dennoch mußte es Zugänge geben. Dietrich Künzler zu befragen, hatte keinen Zweck. Von seiner Art hatten wir genügend Kostproben erhalten.
Die Taktik war rasch festgelegt. Suko hatte sich umgesehen und festgestellt daß das Vorhängeschloß der Tür zum Söller aufgebrochen war. Er hatte auch Spuren der beiden jungen Franzosen in dem Gewölberaum des Söllers gefunden.
Wir wollten ihnen folgen. Roxane und Gisela aber sollten mit dem Opel Manta des Kommissars die Burg verlassen und in Königstein unten im Hotel bleiben.
Davon mochte Roxane nichts wissen.
»Bernard und Jean haben meinetwegen ihr Leben riskiert«, sagte sie. »Ich muß bei euch bleiben und ihnen helfen.«
Jetzt wurde ich energisch. Ich erklärte Roxane, daß sie und Gisela Malthus uns keineswegs helfen konnten, sondern daß sie eine Belastung für uns waren. Daß wir den Rücken frei haben mußten und nicht noch auf die beiden Mädchen aufpassen konnten.
Roxane gab schließlich nach, aber sie war eingeschnappt, das gute Verhältnis zwischen uns gestört.
»Es ist ebenso wie bei einem Krieg oder einer bewaffneten Auseinandersetzung«, pflichtete Kommissar Mallmann mir bei. »Frauen haben in der vordersten Linie nichts verloren.«
Roxane zog einen Schmollmund.
»Ich bin eine von Felseneck. Aber wenn ihr meint, daß wir euch im Weg sind und euch nur behindern, bitte…«
Die beiden Mädchen packten rasch das Notwendigste zusammen. Es dämmerte schon, als sie in den silbergrauen Opel Manta einstiegen. Suko betrachtete sich die schwere BMW-Maschine, während Kommissar Mallmann den Mädchen den Gebrauch des ins Armaturenbrett des Opels eingebauten Funkgeräts erklärte.
»Eine von euch kann im Wagen bleiben, wenn ihr so schnell wie möglich Bescheid wissen wollt«, sagte ich. »Wir können euch umgehend über Funk verständigen.«
»Darauf lege ich Wert«, erklärte Roxane.
Das Burgtor war verschlossen. Der Kommissar und ich öffneten es, und Roxane und Gisela fuhren hinaus. Der silbergraue Opel Manta stoppte draußen, die beiden Mädchen stiegen aus.
Während Gisela Malthus den Kommissar umarmte und küßte, drückte Roxane mir lediglich die Hand und sagte: »Viel Glück, John. Und verständigt uns auf jeden Fall sofort. Falls wir bis zwei Uhr morgens nichts hören, alarmieren wir die Polizei.«
Das würde nichts nützen. Ich empfahl ihr, sich in diesem Fall besser direkt ans Bundeskriminalamt zu wenden und nannte den Namen eines Beamten, der von den Zusammenhängen eine Ahnung hatte.
»Dieser Bernard«, sagte Roxane verträumt. »Ich habe ihn
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