0060 - Der Geisterfahrer
Mallmann zu, damit er die Nerven behielt.
Es war nicht ganz einfach, Will Mallmann da herauszuholen. Wenn ich meine Jacke auszog und hinunterließ, reichte es nicht ganz. Außerdem traute ich der Festigkeit des Materials nicht.
Suko hatte schließlich die Idee. Ich zog die Jacke aus und nahm alles aus den Hosentaschen, was herausfallen konnte. Dann schob ich mich über die Kante der magischen Falle, und Suko packte mich an den Fußgelenken.
Er ließ mich langsam hinab. Ich streckte Will Mallmann die Hände entgegen. Unter uns, im Reich des Spuks, heulten die Horrormonster, sprangen umher und gestikulierten. Die dämonische Weise schwoll an.
Mein chinesischer Freund hatte Bärenkräfte. Er mußte sich an den Rand der Fallgrube legen und mich ganz hinablassen. Dann konnte Will Mallmann meine Hände packen. Wenn jetzt eins der Monster von Burg Felseneck erschien und Suko über die Kante warf, waren wir alle verloren.
Alles hing im wahrsten Sinn des Wortes an Suko. Jean und Bernard betrachteten die Szene in atemloser Spannung. Will Mallmann hing freischwebend an meinen Händen.
»Zieh uns hinauf, Suko!« rief ich.
Sukos Muskeln und Sehnen traten wie Taue hervor. Der bärenstarke Chinese schob sich Zoll um Zoll zurück. Es gelang ihm, sich aufzuknien. Sein Atem rasselte, in seiner Brust stach es, und rote Kreise tanzten vor seinen Augen.
Aber er gab nicht auf. Er erhob sich, und er zog und zerrte uns empor. Will Mallmann wog vielleicht 150 Pfund, doch mir schien es, als wären es drei Zentner. Er klammerte sich mit aller Kraft fest.
Dann rutschte nach den Beinen und dem Unterleib mein Oberkörper über die Kante. Ich konnte Suko helfen, wir rissen Will Mallmann aus der magischen Fallgrube. Die Monster im Jenseits heulten enttäuscht.
Suko sank keuchend nieder. Wir waren alle schmutzig und zerschrammt und atmeten schwer.
»Das werde ich euch nie vergessen, Freunde«, sagte Will Mallmann tief bewegt. »Ich sah mich schon da unten…«
Er erschauerte. Jetzt nahm ich mein silbernes Kreuz. Ich hielt es über die magische Falle, ein helles Licht erstrahlte. Das Geheule, die unheimlichen Laute und die schaurige Melodie verstummten. Die Fallgrube schloß sich.
Ich klopfte Staub und Schmutz von mir ab und zog die Jacke wieder an. Ich wartete noch eine Weile. Dann überprüfte ich den Boden vorsichtig Fuß um Fuß. Aber die Dimensions-Falle des Schwarzen Todes war beseitigt. Wir konnten weitergehen.
Die Zellentür, hinter der Jean Arnois und Bernard Roget saßen, war verschlossen. Aber ich fand in der Folterkammer nebenan den Bund mit dem Schlüssel.
Die Foltergeräte waren verstaubt und verrostet. In den Zellen nebenan waren unglückliche Delinquenten gefangengehalten worden.
Reiche Kaufleute, denen die Herren von Felseneck ein hohes Lösegeld abpressen wollten. Oder Leute, die ihren Zorn erregt hatten.
Ich sperrte die Zellentür auf, und Jean und Bernard eilten heraus. Sie waren schreckensblaß, aber unverletzt. Nur ein paar Schrammen und Beulen hatten sie. Ich stauchte die beiden zusammen.
»Was glaubt ihr eigentlich, was das hier ist?« fragte ich sie. »Ein Studentenulk? Was fällt euch ein, auf eigene Faust loszuziehen?«
»Ich wollte vor Roxane als Held dastehen«, erwiderte Bernard geknickt. »Und Jean begleitete mich aus Freundschaft.«
»Schöne Helden seid ihr! So etwas wagt nur nicht noch einmal.«
Eine neue Schreckensbotschaft erwartete uns. Dietrich Künzler hatte vor einer Dreiviertelstunde nach den beiden Gefangenen gesehen und ihnen erklärt, daß er Roxane von Felseneck und Gisela Malthus in der Schloßkapelle dem Satan opfern wollte.
Bei einer Schwarzen Messe vor Mitternacht. Kommissar Mallmann, Suko und ich sollten in einer besonderen Falle sterben. Und Jean Arnois und Bernard Roget wollte der Adept später in den Burgbrunnen werfen.
Uns blieb keine Zeit, nach den ausgestandenen Schrecken und Aufregungen zu verschnaufen. Wir mußten schleunigst zu der Kapelle. Künzler hatte keinen Grund, seine Gefangenen zu belügen.
Er hatte Roxane und Gisela in seine Gewalt gebracht. Wir mußten schleunigst den Gang zur Burgkapelle finden.
***
Wir hatten Glück und entdeckten den richtigen Weg sofort. Unheimlicher Gesang scholl durch dicke Mauern in den unterirdischen Gang. Dämonische Laute und ein blasphemischer Chor mischten sich hinein. Kälte und übler Geruch schlugen uns entgegen.
Die Dämonenorgel gellte ihre Satansmelodie. Heulen, Wimmern, Stöhnen, ekstatisches Kreischen und dumpfer Gesang
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