0061 - Der Hexenberg
einen höllisch aussehenden Tierschädel.
»Die Frau mit der Hyänenmaske!«, entfuhr es Nicole.
»Erraten!« Der Raubtierkopf verwandelte sich zurück, wurde wieder zum menschlichen Antlitz.
»Sie… sind ein Dämon«, stammelte Nicole, erkennend, dass sie wohl einer Fehleinschätzung zum Opfer gefallen war.
»Aber nein«, gab die Besucherin zurück. »Das war nur einer der kleinen Tricks, die ich von meinem Herrn gelernt habe. Uradir – der Herr der tausend Wandlungen. Du hast schon von ihm gehört?«
Nicole schüttelte den Kopf.
»Macht nichts, macht nichts. In jedem Fall – ich bin nichts anderes als das, was die Leute daheim so schön als Hexe zu bezeichnen pflegen.«
Sie lächelte wieder dieses geheimnisvolle Lächeln, wurde dann aber plötzlich ernst.
»Sehe ich es recht, dass du keine große Neigung verspürst, eine der Bräute des Meisters der Dimensionen zu werden?«, fragte sie mit einem unüberhörbaren Lauern in der ansonsten äußerst melodisch klingenden Stimme.
»Warum fragen Sie? Im Wald von Duffy hat es Sie doch verdammt wenig interessiert!«
Herrisch sagte die Dienerin des Dämonen Uradir: »Antworte!«
»Nein, nein!«, antwortete Nicole schnell. »Ich will nicht die Braut des Satans werden!«
»Das dachte ich mir.« Die Frau blickte einen Augenblick wie unentschlossen in die schäumende Flüssigkeit der Wanne. Dann sah sie Nicole tief in die Augen, bohrend, stechend.
»Ich möchte dir ein Geschäft vorschlagen, Kind«, sagte sie.
Nicole runzelte die Stirn. »Ein Geschäft? Hier in dieser Welt?«
»Warum nicht? Pass auf: Du erkennst offenbar nicht, dass du dich in einer beneidenswerten Position befindest. Braut des Meisters! Keine Sterbliche kann mehr erreichen.«
Nicole verzog das Gesicht. »Darauf pfeife ich!«
»Du bist dumm, Kind. Aber mir soll es recht sein. Ich mache dir folgenden Vorschlag: Wir tauschen!«
»Tauschen? Was tauschen wir?«
»Ist das so schwer zu verstehen? Ich werde du, und du wirst ich. Das ist alles. Na, was hältst du davon?«
Noch immer verstand Nicole nicht.
Die Frau erklärte: »Ich will ehrlich zu dir sein. Wie gesagt, du bist zu beneiden. Braut des Meisters, das ist der Traum jeder Dienerin. Mein Herr ist Uradir, ein relativ mächtiger Dämon, gewiss, aber er ist nicht der Meister. Und deshalb… Ich sehe eine Möglichkeit, die uns beiden nutzt. Ich trete an deine Stelle, empfange die Hochzeitsweihe durch den Meister. Du verkörperst mich und bist frei. Hast du es jetzt begriffen?«
Nicole sah einen fernen Hoffnungsschimmer am imaginären Horizont, aber im Grunde genommen konnte sie nicht so recht daran glauben, was die Frau da so erzählte.
»Und wie soll das in der Praxis vor sich gehen?«, fragte sie. »Sie sehen nicht aus wie ich und…«
»Nicht?« Wieder trat Bewegung in das Gesicht der Dienerin. Die Nase nahm eine andere Form an, der Mund veränderte sich, die Augen wechselten die Farbe.
Nicole hielt den Atem an. Ihr war, als würde sie sich im Spiegel betrachten. Ein perfektes Ebenbild saß ihr gegenüber.
»Na? Was sagst du nun?«
Nicole war tief beeindruckt. »Und ich? Was geschieht mit mir?«
Die Frau machte eine wegwerfende Handbewegung. »Überhaupt kein Problem«, sagte sie. »Ich habe auf der Erde schon ganz andere Kunststücke fertiggebracht. Menschen in Schweine zu verwandeln – das ist meine Spezialität.« Sie kicherte tückisch, wurde aber sofort wieder ernst. »Sieh…«
Plötzlich hatte Nicole das Gefühl, als würden tausend Ameisen über ihr Gesicht laufen. Die Haut kribbelte, spannte und dehnte sich. Es dauerte nur Sekunden, dann war alles vorbei.
»Betrachte dich«, sagte die Frau, nahm einen an der Wand hängenden Spiegel ab und hielt ihn Nicole vors Gesicht.
Das Wunder war geschehen. Nicole war nicht mehr sie selbst. Das Gesicht einer Fremden starrte ihr aus dem Spiegel entgegen, das bisherige Gesicht der Frau, die da vor ihr stand.
»Da wir figürlich ziemlich ähnlich sind, können wir uns weitere Änderungen schenken«, hörte sie die Hexe mit ihrem Munde sagen.
Trotz der gelungenen Verwandlung glaubte Nicole noch immer nicht an ein Gelingen des verrückten Plans.
»Schön«, sagte sie. »Das Äußere stimmt. Wird der… der Meister aber nicht trotzdem merken, dass er getäuscht werden soll?«
Die Frau zuckte die Achseln. »Dieses Risiko muss ich auf mich nehmen. Immerhin verstehe ich es, meine Gedanken abzuschirmen.«
»Und ich?«
»Dir kann nichts passieren. Wenn du zur Erde zurückkehrst… Weder
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