0061 - Der Hexenberg
Verderbens. Ihr jedoch… Gebt es zu: Ihr habt ihn gestohlen!«
Der Professor merkte, dass die Situation anfing, brenzlig zu werden. Das Misstrauen des Dämons war geweckt, und es erschien sehr zweifelhaft, ob er es wieder zerstreuen konnte.
Die Stielaugen des Dämonen tanzten jetzt wieder wie Marionettenpuppen. »Ihr behauptet also, Diener Sybaoths zu sein. Gut! Ich will euch glauben, wenn ihr zeigt, dass ihr mit dem Hauch des Verderbens gesegnet seid. Wehrt euch!«
Etwas Furchtbares geschah.
Der Sand lebte plötzlich. Von allen Seiten krochen die Schrumpfköpfe heran. Die Stängel, auf denen sie saßen, streckten sich, wurden lang und länger wie Gummibänder, die man immer weiterziehen konnte. Pfeilspitze Reißzähne bleckten gierig, gespaltene Zungen wanden sich wie giftige Vipern.
»Verdorrt sie! Verdorrt sie, wenn ihr könnt!«
Das wiehernde Lachen des Dämons hallte über den blutroten Wüstensand wie das Heulen eines Orkans.
Schon schnappten die ersten Kiefer nach den Schuhen der beiden Freunde. Verzweifelt traten sie um sich, schleuderten die geifernden Köpfe zurück, stampften sie mit den Sohlen in den unheimlichen Sand.
Aber es waren zu viele. Und sie waren so nicht abzuwehren, wanden sich unter den Sohlen wieder hervor, versuchten erneut, ihre Zähne in das Fleisch der Männer zu schlagen.
Flucht!
Das war die einzige Möglichkeit, die ihnen noch verblieb.
Aber wie? Zu Fuß war ein Entkommen nicht möglich. Die dämonischen Gewächse waren überall, erschienen wie ein wogendes Meer.
Nur mit Hilfe des magischen Stabes konnten sie dieser Stätte des Schreckens den Rücken kehren. Den Stab jedoch besaß jetzt der Dämon.
»Bill, den Revolver!«, schrie Zamorra und riss im gleichen Augenblick die Waffe aus dem Schulterhalfter.
Der Freund tat es ihm nach.
Beinahe gleichzeitig zielten sie auf den Dämon und drückten ab.
Die geweihten Silberkugeln rasten auf den Unhold zu, trafen ihn an Kopf und Körper.
Er wankte, aber er fiel nicht.
Wutgeheul brach aus seiner Kehle.
Dieses Geheul schien ein zusätzlicher Ansporn für die Schrumpfkopf-Gewächse zu sein. Zamorra und Bill wurden ihres Ansturms kaum noch Herr.
Der Professor erkannte eine kleine Chance. Die Silberkugeln schafften es nicht, dem Dämon den Garaus zu machen. Aber sie waren ihm sichtlich unangenehm. Er hatte Mühe, das Gleichgewicht zu bewahren.
Zamorra spannte die Muskeln, warf sich mit einem wahren Tigersatz auf den Herrn der Millionen Köpfe.
Dieser war auf die überraschende Attacke nicht vorbereitet. Ehe er erkannt hatte, dass der Erdenwurm kühn genug gewesen war, ihn persönlich anzugreifen, hatte Zamorra den Stab mit beiden Händen umklammert. Alle Kräfte mobilisierend, die in seinem athletischen Körper steckten, riss er daran.
Ein Gefühl des Triumphes stieg in Zamorra auf.
Der Stab war frei.
»Bill, schnell hierher!«
Der Amerikaner brauchte keine zweite Aufforderung.
»Fass an!«
Auch Bills Hände schlossen sich um den Schaft.
»In den Palast des Meisters!«, gab Zamorra das Reiseziel bekannt.
Die Wüstenszenerie verblasste augenblicklich.
***
Nicole Duval wollte zuerst selbst nicht glauben, dass alles so reibungslos und glatt verlief. Und doch war es so.
Sie hatte nicht die geringsten Schwierigkeiten, die Gänge und Hallen des Palastes zu durchqueren. Zahlreiche Gestalten begegneten ihr unterwegs – menschliche Wesen, Sukkubus und Inkubus, Dämonen. Niemand behelligte sie. Ganz offensichtlich sah man in ihr nichts anderes als eine Dienerin des Herrn der tausend Wandlungen, die sie ja jetzt dem äußeren Anschein nach verkörperte.
Sie nahm sich nicht die Zeit, sich die düsteren Wunder des Palastes anzusehen. Sie hatte nur ein Ziel: So schnell wie möglich die Mauertore zu erreichen, um endlich mit Hilfe des magischen Stabes diesem unseligen Reich adieu sagen zu können.
Und obgleich sie die ganze Zeit über immer noch damit gerechnet hatte, schließlich doch entlarvt zu werden, schaffte sie es tatsächlich.
Genau der Route folgend, die ihr ihre Komplizin bezeichnet hatte, erreichte sie den Höllengarten vor dem Palast. Die Rauch und Dampfwolken nicht beachtend, die aus den Teichen emporstiegen, ging sie auf die goldene Mauer zu.
Nirgends war eine Lücke zu erkennen, aber die Hexe hatte sie darauf vorbereitet. Erst als sie unmittelbar vor der unendlich hohen Wand stand, klaffte darin plötzlich eine flimmernde Öffnung.
Die Wächter ließen sie ungehindert passieren, machten keinerlei Anstalten,
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