0061 - Kino des Schreckens
einen Arzt. Sofort. Haben Sie mich verstanden?«
Ihr Schreien brach ab. Aus großen Augen starrte sie mich an. Ich wußte nicht, ob sie mich überhaupt verstanden hatte.
»Das Telefon!«
Sie drehte sich halb und deutete auf die Tür, aus der Potter zuvor getreten war.
Das reichte mir als Antwort. Hastig rannte ich an ihr vorbei und riß die Tür auf. Dabei gelangte ich in einen dunklen Raum und machte Licht.
Ich fand mich in einer Rumpelkammer wieder. Das weiße Telefon stand auf einer alten Konsole. Und es war angeschlossen.
Ich wählte den Notruf.
Man versprach, sofort einen Wagen vorbeizuschicken. Hoffentlich war es noch nicht zu spät.
Ich ging wieder zurück. Die Frau war inzwischen in den Zuschauerraum gelaufen. Ich sah sie durch die Reihe auf ihren schwerverletzten Mann zugehen.
Mein Ziel war Suko.
Der Chinese winkte mir zu.
Er lächelte, als ich vor ihm stehenblieb. »So langsam geht es mir besser«, sagte er.
»Was ist geschehen?«
»Wenn ich dir das erzähle, glaubst du mir nichts.«
»Und wo ist Shao?«
Suko zuckte zusammen, und ich glaubte es in seinen Augen feucht schimmern zu sehen.
»Sie… sie ist weg. Ich – ich konnte ihr nicht helfen.«
»Wie ist es passiert?« fragte ich leise.
Suko berichtete. Noch nie hatte ich ihn so deprimiert sprechen hören. Er war völlig außer Fassung. Ich wußte, wie sehr ihm Shao ans Herz gewachsen war und was sie für ihn bedeutete.
»Du hast nichts tun können?« fragte ich noch einmal.
»Nein, John – nichts. Dieser Nebel war stärker. Ich habe ihn eingeatmet und brach dann zusammen. Ich bin erst wieder aus der Ohnmacht erwacht, als dieser Potter sein Gewehr auf mich richtete. Das ist alles.«
Es war schwer zu glauben, aber ich selbst hatte die Nachwirkungen dieses geheimnisvollen Nebels gespürt. Ich schaute auf die Leinwand. Der Vorhang war noch nicht geschlossen. Die Wand schimmerte weißlich grau. Sie sah völlig normal aus, aber mir war klar, daß sich dahinter das Tor zu einer anderen Dimension befand. Ein Einstieg in die Dämonenwelt.
Zu jeder Zeit oder nur wenn der Film lief? Das wollte ich unbedingt herausfinden.
Doch erst einmal kamen die Sanitäter. Zwei trugen eine Bahre. Neben ihnen lief ein Arzt her. Sein offener Kittel flatterte hinter ihm her. An der rechten Hand trug er eine prall gefüllte Instrumententasche.
Ich winkte dem Doc.
Die Sanis kamen ebenfalls mit. »Wo ist der Verletzte?« fragte mich der Arzt.
Ich deutete in die Reihe. »Dort.«
Sie liefen sofort hinüber und kümmerten sich um James Potter. Wenig später trugen sie ihn an Suko und mir vorbei. Der Arzt machte ein bedenkliches Gesicht. »Ob er durchkommt, ist fraglich«, sagte er zu mir gewandt.
Die Frau hatte seine Worte ebenfalls gehört. »Wenn James stirbt, töte ich Sie!« schrie sie mich haßerfüllt an.
»Gehen Sie«, sagte ich.
Sie ging tatsächlich und blieb an der Seite ihres Mannes.
Suko und ich schauten uns an. Der Chinese fragte mit lahm klingender Stimme: »Und was machen wir jetzt, John?«
Ich lächelte spärlich. »Wir, mein Freund, schauen uns einen Gruselfilm an.«
***
Es war eine grauenvolle, alptraumhafte Umgebung.
Als Shao erwachte, wußte sie nicht, wo sie war. Sie spürte nur einen ungeheuren Druck auf ihrem Kopf. Stöhnend richtete sie sich auf und preßte ihre Hände gegen die Schläfen.
Verwirrt schaute sich Shao um.
Sie saß auf weichem Boden, das fiel ihr zuerst auf. Irgendwo in der Nähe blubberte es. Shao kannte diese Geräusche. Sie entstanden, wenn Gasblasen in einem Sumpfloch hochstiegen.
Aber ein Sumpf? Unmöglich. Sie und Suko waren doch im Kino gewesen und hatten sich einen Horrorfilm angesehen. Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Sie waren in den Zuschauerraum gekommen, hatten Platz genommen, und dann begann der Film.
Der Nebel – das Kind – das Monster…
Und plötzlich…
Da wußte Shao auf einmal, was geschehen war. Die Erkenntnis traf sie schlagartig. Ihr Herz begann rasend zu hämmern. Das Blut schoß nur so durch ihre Adern.
Der Kreislauf spielte verrückt.
Sie war in die Leinwand hineingezogen worden!
Plötzlich drehte sich alles vor ihren Augen, und es dauerte eine Zeit, bis sie sich wieder zurechtfand.
Shao ging daran, ihre Umgebung in näheren Augenschein zu nehmen. Sie befand sich in der Tat in einer Sumpfgegend. Um sie herum glänzten die Tümpel wie Ölflecke. Das Gelände war etwas hügelig. Seltsame Bäume wuchsen hier, deren Äste sie irgendwie an menschliche Arme erinnerten. Dazu
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