0061 - Kino des Schreckens
Ich sah es, als ich einen raschen Blick über die Schulter warf.
Ein letztes Paar begegnete mir.
Sie gingen Arm in Arm, wobei die Frau sich eng gegen ihren Begleiter drückte und ihm Worte ins Ohr flüsterte, die ich nicht verstand.
Ich blieb vor den beiden stehen.
Sie hoben die Köpfe, schauten mich an, sahen mich aber nicht. Ich war für sie gar nicht vorhanden.
Doch Rauschgift?
Ich trat zur Seite.
Die beiden gingen vorbei.
James Potter hielt sich an der Tür auf. Er hatte eine Hand gegen den Rahmen gestützt und bedachte mich mit nicht gerade freundlichen Blicken.
Ich war Potters Feind.
Aber warum?
Wenn ich den Grund herausfand, hatte ich sicherlich einen überwiegenden Teil des Rätsels gelöst. Sorgen machte ich mir auch um Suko und Shao. Ich hatte die beiden bisher noch nicht gesehen. Wenn sie im Kino gewesen waren, dann hatte man Suko entweder gefangen genommen und irgendwo versteckt oder aber ausgeschaltet.
Und das endgültig.
Bei der letzten Möglichkeit zog sich mir der Magen zusammen, wenn ich daran dachte.
Die Holztür zum Zuschauerraum war geöffnet. Die Luft im Raum selbst roch noch muffiger als die am Eingang. Ich verzog das Gesicht.
Es brannte die Notbeleuchtung. Kleine, rotgelbe Lampen an den holzvertäfelten Seitenwänden. Der Weg zur Leinwand führte bergab. Ein alter, völlig abgetretener Sisalteppich kratzte gegen die Fußsohlen.
Links von mir sah ich die Zuschauerreihen. Ein Mittelgang trennte die Sessel von den Holzstühlen.
Es war noch ein altes Kino.
Ich hatte mich inzwischen an die schlechte Luft und an den Geruch gewöhnt. Spürte jedoch in meinem Schädel eine seltsame Leere. Ich wischte mir über die Stirn und bemerkte, daß mein Handrücken schweißnaß war.
Die Luft machte mir zu schaffen!
In diesem Kino stimmte eine ganze Menge nicht. Trotzdem behielt ich einen klaren Kopf. Ich hatte mir vorgenommen, den Zuschauerreihenblock zu umrunden. Fand ich dann keine Spur von Suko und Shao, würde ich jede Reihe einzeln untersuchen und mich anschließend in den anderen Räumen des Kinos umsehen. Zum Beispiel im Vorführraum oder in den Kellern.
Ich erreichte die erste Reihe, machte die Kurve und ging parallel zur Leinwand.
Nach drei Schritten blieb ich abrupt stehen.
Auf dem Boden lag etwas.
Ich lief näher, bückte mich und fühlte unter meinen Händen Kleiderstoff.
Der Mann lag auf der Seite. Als ich ihn herumdrehte, erkannte ich ihn.
Es war Suko!
***
Im ersten Augenblick bekam ich einen Schreck. Sukos Augen waren halb geöffnet. Auch als ich mich näherbeugte, erkannte ich kein Leben in ihnen.
Sollte er…?
Ich fühlte nach dem Puls.
Er schlug.
Dem Himmel sei Dank!
Aber was war mit dem Chinesen geschehen? Und vor allen Dingen, wo befand sich Shao?
Sicherlich konnte mir Suko eine Antwort darauf geben. Mit der flachen Hand schlug ich gegen seine Wangen. Immer noch eines der besten Mittel, jemanden aus der Bewußtlosigkeit zu holen.
Doch bei Suko nützte es nichts. Er ›schlief‹ zu tief und zu fest.
Ich preßte die Lippen zusammen. Mir war klar, daß dieser James Potter etwas mit Sukos Zustand zu tun haben mußte. Und ich würde Potter ein paar unangenehme Fragen stellen, darauf konnte er sich verlassen. Diesmal kam er mir nicht mit billigen Ausflüchten davon. Darauf konnte er Gift nehmen.
Ich mußte Suko leider hier liegen lassen, wenn ich mit Potter redete. Aber mein Freund befand sich meiner Meinung nach nicht in unmittelbarer Gefahr.
Doch ich hatte Potter unterschätzt.
Plötzlich hörte ich das Geräusch in meinem Rücken, und noch ehe ich etwas unternehmen konnte, preßte sich ein harter kalter Gegenstand in meinen Nacken.
Im gleichen Atemzug hörte ich Potters Stimme. »Sei nur ruhig, Bulle, sonst blase ich dir ein Loch in deinen Schädel…«
***
Ich hätte mich selbst ohrfeigen können. Dieser Kerl hatte mich reingelegt, weil ich ihn nicht ernst nahm.
Selbstverständlich kam ich seinem Befehl nach, weil ich mir keine Kugel einfangen wollte.
Ich blieb also ruhig hocken und stützte die flachen Hände auf den Boden.
Einige Sekunden verstrichen.
»Und jetzt?« fragte ich. Der Mündungsdruck an meinem Hals war noch immer nicht verschwunden.
Potter lachte. »Ist doch klar, Bulle, daß ich dich umlegen werde«, höhnte er.
Ich schluckte. Diesen Vorsatz nahm ich ihm ohne weiteres ab. »Haben Sie schon mal einen Menschen getötet?« fragte ich.
»Nein. Aber irgendwann ist es immer das erste Mal.«
»Eine miese Philosophie«, knirschte
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