0061 - Kino des Schreckens
hinten muß eine Stadt liegen«, sagte er.
»Und hinter uns ein Fluß.«
Der Chinese drehte sich. »Wirklich?«
Es war tatsächlich ein Wasserlauf, der an uns vorbeischoß und auf die Stadt zufloß. Ich ging ein paar Schritte und erreichte das Ufer.
Das Wasser sah seltsam aus. Ich wurde an Quecksilber erinnert. Es besaß die gleiche helle Farbe, und die Fließgeschwindigkeit war erheblich reduziert. Schwerfällig strömte der Fluß an uns vorbei.
Suko war neben mich getreten. »Wir sollten diesem Fluß folgen«, bemerkte er.
»Du willst in die Stadt?«
»Ja.«
Ich schaute hinüber und sah nur die Türme, die mich irgendwie an gewaltige Schornsteine erinnerten. Ihre Spitzen schienen den grauen Himmel zu berühren.
»Wie weit ist es wohl?« fragte Suko.
»Etwa fünf Meilen.«
»Vor einem Fußweg habe ich mich noch nie gescheut«, entgegnete mein Freund.
»Dann los.«
»Vielleicht finden wir auch ein Boot«, schwächte Suko ab.
»Also doch nicht zu Fuß.« Ich grinste.
Suko hob die Schultern. »Wenn es sich eben vermeiden läßt.«
»Meinst du, daß Shao in der Stadt steckt?« fragte ich.
»Bestimmt.«
Ich teilte Sukos Optimismus nicht. Im Film hatten wir ein völlig anderes Bild gehabt. Wir sahen jetzt kein graues Monster, kein blondes Mädchen, sondern nur diese unwirkliche Landschaft mit dem silbern schimmernden, an Quecksilber erinnernden Fluß.
Wir waren tatsächlich in einer anderen Dimension gelandet. In einer Parallelwelt, die von Dämonen und finsteren Mächten regiert wurde.
Nicht zum erstenmal war ich in eine solche Welt eingetaucht. Noch sehr gut erinnerte ich mich an mein schreckliches Erlebnis, als ich in einem Sarg lebendig begraben war. Es hatte damals einen Ausweg gegeben, aber der führte mich in eine Dämonenwelt, wo ich verdammt harte Abenteuer zu bestehen hatte. [3]
Mit viel Glück war ich dieser Welt wieder entronnen – aber jetzt? Würden Suko und ich dieses Glück ebenfalls wieder haben. Und auch Shao? Denn es stellte sich die große Frage, ob wir Shao überhaupt fanden. Dem ersten Eindruck nach zu schließen, schien das Land ziemlich groß zu sein. Und in einem großen Land gibt es zahlreiche Verstecke. Vielleicht mußten wir tage- oder wochenlang umherirren, um Shao zu finden.
Wie ich es auch drehte und wendete, ein Risiko blieb es auf jeden Fall.
Wir schritten am Flußufer entlang und hielten dabei Ausschau nach einem Boot. Suko hatte es besonders eilig.
Verständlich.
Der Chinese machte mich auch auf die fünf Punkte am Himmel aufmerksam.
Wir blieben stehen und legten unsere Köpfe in den Nacken. »Das sind Vögel«, sagte ich.
»Genau, und die Tierchen scheinen ziemlich groß zu sein.« Suko fürchte seine sonst so glatte Stirn.
»Rechnest du mit einem Angriff?«
Er nickte.
Wir gingen weiter und behielten auch die Tiere im Auge. Der Fluß machte Schleifen und Kehren. Er strömte nicht auf direktem Weg seinem Ziel entgegen.
Sehr oft schaute ich hinüber zu der Turmstadt. Dabei hatte ich jedoch das Gefühl, daß die Entfernung gar nicht mehr schmolz. Die Stadt schien mir ebenso weit entfernt zu sein wie zuvor.
Eine optische Täuschung?
Oder war die Stadt etwa gar nicht existent? Bekamen wir hier eine Halluzination vorgegaukelt? Wir mußten mit allem rechnen. Gerade in diesen Reichen, wo Angst und Terror regieren. Hier war einfach alles möglich.
»Sie kommen näher!« Sukos ruhige Stimme unterbrach meinen Gedankenstrom.
Ich schaute nach oben.
Der Chinese hatte recht. Die fünf Vögel hatten sich in der Tat von der Stadt gelöst. Mit ihren scharfen Augen mußten sie uns erspäht haben, flogen in unsere Richtung, griffen jedoch nicht an und hielten auch die Höhe bei.
Über unseren Köpfen zogen sie Kreise.
Mir wurde mulmig. Ich schob meine Hand unter die Jacke und tastete nach der mit Silberkugeln geladenen Beretta. Sie steckte in der Halfter.
Ich war wieder etwas beruhigt.
Trotzdem gingen wir weiter. Allerdings ließen wir die Vögel dabei nicht aus den Augen. Fast bewegungslos hingen sie über uns. Geschöpfe, wie es sie auf der Erde nicht gab, das sah ich selbst aus dieser Entfernung.
Suko deutete nach vorn. »Sieht schlecht aus, John«, sagte er. »Wahrscheinlich fließt der Fluß direkt an der Stadt vorbei, und wir müssen ihn überqueren, um zu diesen Türmen zu gelangen.«
Ich schaute zum anderen Ufer hinüber. Der silbrig schimmernde Fluß war zwar nicht so breit wie die heimatliche Themse, aber hinüberspringen konnte man nicht. Im bisherigen
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