0061 - Unser Mann kam aus Neapel
»Als Leiche werden Sie kaum noch Witze machen können, aber es ist Ihre Sache. Was machen wir mit unserem Freund?« Er zeigte auf Guigla.
Phil und ich sahen uns fragend an. Laufen lassen konnten wir ihn noch nicht. Er hätte seinen Chef gewarnt.
Schließlich sagte Phil: »Er bleibt bis zum 28. bei uns. Wir nehmen ihm ein Doppelzimmer, das er mit einem von uns teilt. Nachts werden wir ihn ein wenig binden müssen, aber bis zum 28. hält er das aus.«
***
Die Via Redione war eine schmale neapolitanische Gasse voller schiefer Läden mit jeglichem Ramsch, voller Kinder, Frauen und dunklen Gentlemen. Vor dem schmalen Stück Himmel, das die hohen Häuser freigaben, flatterten die ungezählten Fahnen der Wäschestücke.
Das Café im Haus Nummer 14 schien aus ein paar Stühlen zu bestehen, die der Besitzer auf die Straße gestellt hatte. Hinter der winzigen Schaufensterscheibe blitzte die unvermeidliche Espresso-Maschine, und über der windschiefen Tür hing ein Schild mit der Aufschrift: Bar.
Wir wurden angestarrt. Ganz offensichtlich war dies keine Straße, in die sich die Fremden verirrten, und da wir jeden Neapolitaner überragten, gingen wir beim besten Willen nicht als Einheimische durch.
Zum Glück befand sich dem Café gegenüber ein Kramladen, ein dunkles obskures Geschäft, in dem rostige Nägel, alte Türschlösser, eine Partie Brennholz und alles, was eigentlich keinen Wert mehr hatte, verkauft wurde.
Der Besitzer, klein, alt, krummrückig, überschüttete uns mit einem Wortschwall, gemischt aus Englisch, Französisch und Italienisch.
»Haben Sie Antiquitäten?«, fragten wir, denn wir wussten, dass Antiquitäten der Schlachtruf aller Touristen war.
»Yes, yes«, versicherte er und kramte aus den unmöglichsten Ecken die unmöglichsten Sachen hervor, kleine Tontöpfe, Metallfigürchen, Steinplastiken.
Wir ließen uns alles zeigen, handelten und beobachteten dabei durch das kleine, halb blinde Fenster das Café gegenüber. Auf diese Weise brachten wir volle drei Stunden zu.
Um ein Uhr mittags, zu einer Stunde, zu der man in Neapel längst aufgehört hat, zu arbeiten, um sich der Mittagsruhe hinzugeben, fuhr ein italienischer Wagen der Mittelklasse vor Nummer 14 vor.
Mr. Groncos scharfes Profil war unverkennbar, aber dann stieg vom Nebensitz eine zweite Gestalt aus. Dieser zweite Mann war Alec Gregg, in einen tadellosen, hellgrauen Rohseidenanzug gekleidet und einem echten Panamahut auf seinem verbrecherischen Schädel.
Gronco komplimentierte seinen Gast mit einer höflichen Geste als Ersten durch die Tür. Ich sah ihre Köpfe noch einmal neben der Kaffeemaschine auftauchen, dann wurden sie von der Dämmerung des Ladeninneren verschluckt.
Phil hatte den Vorgang so gut beobachtet wie ich, und er hatte auch Gregg erkannt.
»Verstehst du das?«, fragte ich. »Erst hängen sie ihm Knallfrösche an seinen Kahn, weil er einen der ihren hochnehmen will, und jetzt sieht es so aus, als wollten sie Kaffee miteinander trinken?«
»Gregg sucht eine Einigung«, antwortete Phil. »Und wenn sie zustande kommt, so kann es nur auf Kosten von Cavari geschehen.«
»Ich verstehe«, nickte ich. »Ich muss wissen, ob der Hinker nachgibt. Ich versuche, durch den Hintereingang heranzukommen. Du bleibst hier und kommst nur, wenn es knallt.«
»In Ordnung.«
Ich schlenderte aus dem Laden, ging die Via Redione entlang und zählte die Häuser bis zur nächsten Querstraße, schlug diese Straße ein und nahm wieder die nächste rechts, wo ich erneut die Häuser zählte. Da nach Guigla das Café einen Hintereingang von der Via Tondi haben sollte, musste ich ihn auf diese Weise finden.
Die Zählerei hätte ich mir schenken können, denn vor einem Haus stand ein wuchtiger Wagen, und es war der einzige Wagen weit und breit in der elenden Gasse.
Zwischen zwei windschiefen Häusern befand sich hier ein schmaler Durchgang, der so eng und so dunkel war, dass man nicht sehen konnte, wo er mündete.
Ich blickte nach rechts und links. In der glühenden Mittagshitze war die Straße wie ausgestorben. Ich schlüpfte in den Durchgang.
Fast berührten meine Schultern rechts und links die Mauern. Ich ging mit großen Schritten auf den Zehenspitzen und stand plötzlich einem Mann gegenüber, der aus einer Nische trat.
Er war mindestens so erschrocken wie ich. Für einige Sekundenbruchteile standen wir uns wie Salzsäulen gegenüber, aber mein Gehirn trat um ein weniges rascher wieder in Tätigkeit als das seine. Dass der Bursche eine
Weitere Kostenlose Bücher