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0062 - Der tödliche Zauber

0062 - Der tödliche Zauber

Titel: 0062 - Der tödliche Zauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kubiak
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zahlende Gäste um diese nachtschlafende Zeit aus dem Bett zu holen?«
    Zamorra wählte bewußt einen etwas schnoddrigen Ton. Auf diese Weise hoffte er den Mann am ehesten beruhigen zu können. Und er würde schneller und genauer erfahren, was überhaupt los war.
    Sein Rezept schien Erfolg zu haben, denn der Empfangschef verlor tatsächlich zum Teil seine hektische Unruhe. Er holte ein blütenweißes Taschentuch hervor und tupfte sich die schweißfeuchte Stirn ab.
    »Monsieur, es ist etwas Schreckliches geschehen. Wir wissen nicht, was wir tun sollen. Eines unserer Mädchen hat vor etwa einer halben Stunde einen Schrei gehört. Er war aus einem Hotelzimmer gekommen, und wie sie sagt, muß er so verzweifelt und bedrängt geklungen haben, daß sie nicht anders konnte als nachzuschauen. Sie öffnete die betreffende Tür, hinter der der Schrei erklungen sein mußte, und fand auf dem Teppich vor dem Bett einen Mann liegen, den sie noch nie gesehen hatte. Und auch ich kenne den Mann nicht, Monsieur. Aber was noch schlimmer ist, der Kerl hat das ganze Gesicht aufgekratzt. Er muß sehr viel Blut verloren haben, und wir können im Moment keinen Arzt auftreiben. Da dachte ich sofort an Sie, Monsieur. Sie sind meine einzige Hoffnung. Vielleicht können Sie den armen Kerl ins nächste Krankenhaus bringen. Einen Krankenwagen gibt es in Saintes-Maries-de-la-Mer nicht. Schauen Sie sich diesen Mann doch einmal an. Vielleicht darf er auch überhaupt nicht transportiert werden.«
    Ohne eine Antwort des Professors abzuwarten, drehte sich der Hotelangestellte um und eilte voraus auf die Treppe zu. Zamorra hatte Mühe, ihm zu folgen. Er wollte noch einige klärende Fragen stellen, aber er sah ein, daß das im Moment überhaupt keinen Sinn hatte. Er mußte das Spiel mitspielen oder sich einfach nicht darum kümmern. Doch dazu war er viel zu neugierig und hilfsbereit.
    Der Empfangschef rannte die Treppen hinunter, daß Zamorra schon Angst hatte, er würde sich das Genick brechen. Die wertvollen Teppiche auf dem Boden und die echten Gemälde an den Wänden des Ganges und des Treppenhauses hatten sicher erst selten soviel Unruhe mit ansehen müssen.
    Zamorra, der es sich sonst nie nehmen ließ, sich die Bilder eingehend zu betrachten, wann immer er daran vorüber ging, hatte im Moment überhaupt keinen Sinn dafür. Er versuchte, den Mann vor ihm einzuholen, doch bevor ihm das gelang, hatten sie den Schauplatz des Geschehens schon erreicht.
    Eine Gruppe Angestellter drängte sich um die Tür und tuschelte halblaut miteinander. Vor Entsetzen blasse Gesichter wandten sich dem Professor zu, als er sich durch die Gruppe in das Zimmer drängte.
    Niemand hatte an der Lage des Mannes etwas verändert. Das sah Zamorra auf den ersten Blick. Der Mann da vor ihm auf dem Teppich war ein Greis. Die Haare waren grau, und das, was von dem Gesicht noch nicht blutüberströmt und zu erkennen war, wurde von unzähligen Falten durchfurcht.
    Der Mann lag halb eingewickelt in ein Bettlaken, das er offensichtlich bei seinem Sturz zu Boden mit sich gerissen haben mußte. Das Laken war blutbefleckt, sogar Fingerabdrücke waren zu erkennen.
    Sie stammten offensichtlich von dem Mann, der, kurz bevor er in Ohnmacht gefallen war, noch einen schlimmen Kampf ausgefochten haben mußte.
    Doch mit wem?
    Während Zamorra sich niederkniete, um den Mann zu untersuchen, schaute er sich schnell und aufmerksam um. Im ganzen Zimmer waren keine Anzeichen zu erkennen, daß hier eine Auseinandersetzung stattgefunden hatte. Alles befand sich an seinem Platz.
    Nur ein kleines Schränkchen unter einem Wandspiegel war etwas verrückt und stand mit einer Seite ein Stück von der Wand weg.
    Zamorra gab dem aufgeregten Empfangschef ein Zeichen, die Tür zum Gang zu schließen, und widmete sich dem Verletzten. Das Gesicht des alten Mannes war wirklich übel zugerichtet. Tiefe Risse zogen sich durch die Haut, als wäre er einem wilden Raubtier unter die Pranken geraten.
    Der linke Nasenflügel war halb aufgerissen. Unterhalb der rechten Augenbraue sah Zamorra eine Platzwunde.
    Sie war wahrscheinlich auch die Ursache für das viele Blut, welches über das Gesicht des alten Mannes gelaufen war.
    »Mein Gott, hoffentlich gibt das keine Schwierigkeiten. Nur nicht die Polizei – das wäre das Schlimmste, das uns jetzt passieren kann.«
    Die jammernde Stimme des Empfangschefs riß Zamorra aus seinen Überlegungen. Er schaute auf. Der Hotelangestellte hatte sich neben ihn gekniet und raufte sich die

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