0062 - Die blauen Zwerge
kleinen, schnellen Sprung seinem Feind entgegen und verbiß sich im Hals der Schlange, dicht hinter dem Kopf.
Die Schlange bäumte sich auf und versuchte, ihren Peiniger abzuschütteln oder mit den scharfen Zähnen zu erreichen, aber keines von beiden gelang. Der Affe hielt fest. Die Schlange, in ihren zuckenden, wirbelnden Bemühungen, den Affen loszuwerden, geriet immer näher ans Ufer heran.
Peitschend und schlagend schob sich der Vorderkörper mit dem Affen, der den festen Boden unter den Füßen längst verloren hatte, über den Rand der Landzunge hinaus.
Fraudy war aufgesprungen. Sie sah, wie der Affe den Hals der Schlange plötzlich fahren ließ - gerade rechtzeitig, um durch den Ruck der Bewegung zurück an Land geschleudert zu werden. Die Schlange dagegen, von dem zusätzlichen Gewicht plötzlich befreit, glitt ein Stück weiter über den Rand der Landzunge hinaus und plumpste schwerfällig ins Wasser.
Der Affe, der vom sicheren Ufer aus beobachtete, was seinem Feind geschah, stieß ein triumphierendes „Kekeke!" aus.
Dann geschah etwas, was Fraudy schaudern machte. Der Teich wurde plötzlich lebendig. Das Wasser begann zu brodeln. Kleine, tiefschwarze Gebilde schossen von allen Seiten her auf die Schlange zu.
Das Reptil begann sich aufzubäumen und schlug mit dem flachen, breiten Schwanz um sich. Aber die kleinen schwarzen Fische hatten ihr Opfer gefaßt und ließen es nicht mehr los.
Nach wenigen Augenblicken war von der Schlange nicht mehr als das Skelett übrig, das langsam in der Tiefe versank. Fraudy, die das aufregende Schauspiel sprachlos beobachtet hatte, fühlte sich am Bein angestoßen. Sie sah sich um und entdeckte den kleinen, graupelzigen Affen, der mit großen, neugierigen Augen an ihr hochsah.
Fraudy bückte sich, um nach ihm zu greifen und ihn zu streicheln. Der Affe ließ es sich willig gefallen, aber nach einer Weile schien er ungeduldig zu werden. Er sprang ein Stück davon, blieb keckernd stehen und hob einen Arm, als wolle er Fraudy einen Weg zeigen.
Fraudy folgte ihm. Das schien ihm ungeheuren Spaß zu bereiten. Er drang in das Gebüsch ein und schwang sich auf einen der höhergelegenen Zweige. Dann hob er ein zweites Mal den Arm und zeigte in die gleiche Richtung wie zuvor.
Fraudy hatte den Eindruck, er wolle sie irgendwohin führen. Sie folgte ihm eine Weile und gab sich dabei Mühe, den Weg zu markieren, um wieder zum Teich zurückzufinden.
Erst als der Affe das Gestrüpp, das den Teich einige hundert Meter breit umrahmte, verließ und zur westlichen Bergwand hinaufdeutete, glaubte Fraudy, jetzt sei's genug, und sie müsse umkehren, wenn sie sich nicht verirren wollte. Sie blieb also stehen. Der Affe war damit nicht einverstanden. Er fing an zu keckern, deutete ein paarmal ungeduldig in die Richtung, in die er Fraudy führen wollte, und kam schließlich zurückgehüpft. Vor Fraudy blieb er auf dem Boden sitzen und hob beide Arme, so, daß es aussah, als bete er. Dazu machte er große, traurige Augen.
Fraudy ließ sich nicht erweichen. Als der Affe das bemerkte, hüpfte er ein paarmal um sie herum, stieß dabei eine Vielfalt von sonderbaren Lauten aus und sprang schließlich nach Westen davon. Fraudy konnte ihn sehen, bis er die Felswand erreichte. Der Stein hatte die gleiche, hellgraue Farbe wie sein Pelz; Fraudy verlor das possierliche Tier deswegen aus den Augen.
Ein wenig nachdenklich blieb Fraudy stehen, sah sich um, ob nicht irgendwo in der Nähe eine zweite Schlange zu sehen sei, und versuchte, sich über ihren kleinen Retter klarzuwerden. Man wußte von Affen im allgemeinen und von Rhesus-Affen im besonderen, daß ihre Fähigkeit, sich wie ein Mensch zu geben, manchmal verblüffende Ausmaße erreichte.
Aber das hier, was Fraudy erlebt hatte, schien noch darüber hinauszugehen. Fraudy war bereit, ihrem Retter zuzugestehen, daß er beträchtlich mehr Gehirn im Schädel hatte als seine irdischen Artgenossen.
Sie wandte sich um, um zum Teich und von dort zum Lager zurückzukehren. Im selben Augenblick rauschte und krachte es im Gebüsch. Fraudy zuckte entsetzt zusammen.
Da kam Milligan keuchend aus dem Gebüsch geschossen, ein Gewehr in der Hand, sah sich um und entdeckte Fraudy.
„Gott sei Dank!" stöhnte er. „Ich dachte schon ..."
Fraudys Zorn, durch ihre Hilflosigkeit der Schlange gegenüber geweckt, war längst verflogen.
„Da hätten Sie um ein Haar richtig gedacht!" antwortete sie mit erleichtertem Lachen. „Ich war tatsächlich drauf und dran,
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