0062 - Die blauen Zwerge
dieser schönen Welt Ade zu sagen."
Sie berichtete in knappen Zügen, was geschehen war. Milligans Verlegenheit steigerte sich von Wort zu Wort.
„Und das alles", stieß er schließlich hervor, „weil ich geschlafen habe! Geschieht mir recht, wenn Mullon mir nachher den Hals umdreht."
„Das wird er nicht tun", tröstete ihn Fraudy. „Niemand von uns hatte eine Ahnung, wie gefährlich diese Gegend ist. Übrigens hätte ich Ihnen Bescheid geben können, als ich fortging." Milligan nickte mißmutig.
„Hoffentlich denkt Mullon nicht anders als Sie!" meinte er.
Mullon dachte nicht anders. Er sagte: „Wir wissen jetzt, wie die Lage ist. Ich glaube, von heute an wird keiner mehr schlafen, wenn er Wache halten soll." Und mit einem Seitenblick auf Fraudy: „Und auch keiner mehr weglaufen, ohne den anderen ein Zeichen zu hinterlassen."
Im übrigen interessierte ihn die Geschichte mit dem kleinen Affen über alle Maßen. Fraudy hatte sich den Punkt in der westlichen Felswand genau gemerkt, wo sie das Tier hatte verschwinden sehen. Mullon faßte den Vorsatz, die Wand sobald wie möglich zu durchsuchen. Fraudys kleiner Retter war der erste Vertreter der Ordnung der Primaten, den die Siedler auf Gray Beast entdeckten.
Nach Fraudys Vorschlag - dem Entdecker stand zu, dem Entdeckten einen Namen zu geben - wurde die Affenart „Mungo" genannt. Fraudy, die in Terrania galaktische Biologie studiert hatte, bevor sie Mullon folgte, wußte, daß es auf der Erde ein Tier gleichen Namens gab, und sie hielt den Namen Mungo für ihre Neuentdeckung für passend.
Mullon und Pashen waren mit dem Hubschrauber gegen fünfundzwanzig Uhr zurückgekehrt. Der auf Gray Beast eingeführten Sitte entsprechend wurde nun eine dreistündige Ruhepause bis kurz vor neunundzwanzig Uhr eingelegt. Mullon hatte die Absicht, an diesem Abend noch wenigstens ein Exemplar der schwarzen Teichbewohner zu fangen, denen Fraudy nur deshalb entgangen war, weil ihre Füße sie hatten nicht mehr tragen können, und denen der kleine Mungo die Schlange so zielstrebig und konsequent zum Opfer gebracht hatte.
Der Versuch, einen der Affen in der westlichen Bergwand zu fangen, wurde für den frühen nächsten Morgen festgesetzt. Mullon glaubte, daß es ein schwieriges und langwieriges Unternehmen sein werde.
Es kam jedoch anders, als er es sich vorgestellt hatte.
*
Ebenfalls gegen fünfundzwanzig Uhr an diesem Tag brachen Harper und Glannon von ihrem schattigen, kühlen Zwischenlager unter dem überhängenden Ufer des Flusses auf, um ihren Marsch fortzusetzen. Sie hatten mehr als zwölf Stunden geruht. Von Cislarczik hatten sie nichts mehr zu sehen bekommen.
Die Sonne stand zwar noch verhältnismäßig hoch am Himmel, aber die größte Hitze war längst vorüber.
Sie schritten kräftig aus und brachten es nach Harpers Schätzung auf eine Marschgeschwindigkeit von rund viereinhalb Kilometern pro Stunde. Das war erheblich, wenn man bedachte, daß es erstens stetig bergan ging und zweitens die Schwerkraft um zwanzig Prozent größer war als die irdische.
Harper schien sich um Cislarczik nicht zu kümmern, um so mehr Sorgen machte sich jedoch Glannon.
Harper schonte sich und seinen Begleiter nicht. Stunde um Stunde verging, Kilometer auf Kilometer blieb hinter ihnen zurück. Im Glanz der sinkenden Sonne war zum erstenmal zu merken, daß sie den Bergen näher gekommen waren. Harper ordnete eine kurze Rastpause an, als die Sonne untergegangen war, und marschierte eine halbe Stunde später weiter.
„Nicht, daß du glaubst", brummte er Glannon an, „die Nacht wäre zum Schlafen da. Morgen früh will ich die Berge gerade vor mir sehen!" Glannon meinte gleichgültig: „Soll mir recht sein. Sieh nur du zu, daß deine Füße es aushalten."
Harper gab keine Antwort. Sie brachen auf. Harpers leuchtender Kompaß zeigte ihnen den Weg. Bis Mitternacht brachte das Marschieren keine nennenswerte Unbequemlichkeit mit sich - bis auf das taube, stumpfe Gefühl in den Beinen. Das Land hatte die Wärme des Tages in sich aufgesogen und gab sie langsam wieder ab.
Aber dann wurde es kalt. Harper und Glannon gaben sich Mühe, die Kälte dadurch zu verdrängen, daß sie schneller marschierten, aber je schneller sie sich bewegten, desto mehr schmerzten die Beine.
Harper war gezwungen, eine weitere Pause einzulegen. Die Pause verbrachten sie auf dem Boden sitzend, die Hände reibend und mit den Armen um sich schlagend, um sich zu erwärmen. Dann liefen sie weiter. So ging
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