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0063 - Der Hüter des Bösen

0063 - Der Hüter des Bösen

Titel: 0063 - Der Hüter des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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Marseille aus im Château angerufen und den Zeitpunkt seiner Rückkehr angegeben. Als er am frühen Abend aus dem Zug stieg, wartete Nicole auf ihn, zuverlässig wie immer.
    Sie sah wieder einmal ganz besonders reizend aus. Ihre Haare- sie trug sie zur Zeit lang und blond – bewegten sich im kühlen Abendwind wie ein Weizenfeld. Und in ihren seelenvollen Augen war die Freude zu lesen, ihn wieder zu sehen. Und auch ihm wurde ganz wann ums Herz, als er sie sah.
    Sie umarmten sich auf dem Bahnsteig und störten sich auch nicht an den anzüglichen Blicken einiger Neider. Wenig später saßen sie in Zamorras schwarzer Citroën-Limousine.
    Nicole fuhr. Zur Überraschung des Professors lenkte sie den Wagen nicht in Richtung Château.
    »He«, wunderte sich Zamorra. »Wohin willst du mich verschleppen?«
    »Überraschung. Wart’s ab!«
    Nach einer Weile konnte er sich schon denken, wie die Überraschung aussehen würde. Und er sah sich in seiner Erwartung nicht getäuscht. Nicole hielt vor dem ›Louisdor‹, einem etwas abseits gelegenen, kleinen aber feinen Spezialitätenrestaurant, das nur eingeweihten Feinschmeckern ein Begriff war.
    »Raffael, unser guter Geist, hat eine fürchterliche Erkältung, und ich habe ihn ins Bett befördert«, erklärte Nicole. »Und ehe ich meine eigenen Kochkünste unter Beweis stelle…«
    Wenig später saßen die beiden in einer urgemütlichen Essnische und studierten die nicht umfangreiche, aber sehr erlesene Speisekarte. Das Louisdor war keins jener Lokale, die mit Pomp und großem Aufwand Eindruck zu schinden versuchten. Alles war gediegen und auf eine raffinierte Art und Weise einfach – angefangen von der im Bauernstil gehaltenen Einrichtung bis hin zum beinahe etwas derben, aber ungemein aufmerksamen Bedienungspersonal. Wie immer war das Restaurant bestens besucht. Die beiden Männer, die nach ihnen das Lokal betraten – Zamorra glaubte, sie schon im Zug von Marseille gesehen zu haben – fanden nur noch mit Mühe einen freien Ecktisch.
    Nicole und der Professor bestellten Hammelrücken mit überbackenem Spinat und Pommes croquettes sowie als Vorspeise einen Lauchkuchen. Dazu Vin rose.
    Zamorra wollte Nicole gerade von seinen Erlebnissen in Marseille erzählen, als sie ihm mit einer Frage zuvorkam.
    »Was hast du denn da am Hals, Chef?« Sie sagte immer noch Chef zu ihm. Eine alte Gewohnheit aus der Zeit, als sie nur seine Sekretärin gewesen war. »Doch nicht dein Amulett? Das habe ich vorhin noch auf dem Château in der Lederschatulle gesehen.«
    Der Professor wusste sofort, was sie meinte: Montpelliers Talisman. Das Goldkettchen war wohl ein Stück über den Kragen gerutscht. Warum er das Ding immer noch trug, wusste er eigentlich selbst nicht.
    »Es ist ein anderes Amulett«, sagte er. »Ein Glücksbringer, der seinen Trägern in Wirklichkeit aber nichts als Unglück bringt. Das heißt, wenn man den Tod als Unglück ansieht.«
    Nicole runzelte die Stirn. »Das sind aber morbide Sprüche, die du da auf Lager hast. Lass das Ding doch mal sehen.«
    »Ich habe noch eins«, antwortete Zamorra. Er griff in die Tasche, holte Jean Martins Amulett hervor und schob es ihr zwischen Obstschale und Weingläsern hindurch zu.
    Kaum hatte er den Gegenstand aus der Hand gelegt, als er sich ganz komisch fühlte. Ihm war, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen, der sämtliche Nervenenden gleichzeitig unter Strom setzte.
    Ein Name spukte durch seine Gehirnwindungen.
    Halum!
    Aber der Name war wie Schall und Rauch. Er entschwand so schnell er gekommen war.
    Nicole betrachtete die Figur, ohne sie in die Hand zu nehmen.
    »Pfui, ist das ekelhaft!«, sagte sie spontan.
    »Das kann man wohl sagen«, pflichtete der Professor aus vollstem Herzen bei.
    »Was stellt die Figur dar?«, fragte Nicole. »Des Teufels Großvater?«
    Zamorra verspürte den Drang, das Ding vom Tisch zu nehmen und auf den Boden zu werfen, es zu zertreten und in die tiefste Erdschicht einzustampfen. Noch nie hatte er eine solche Abneigung gegen einen toten Gegenstand gehabt.
    Mühsam zwang er sich zu einer Antwort: »Genau kann ich dir nicht sagen, was die Figur darstellt. Aber ich habe mir mittlerweile einige Gedanken darüber gemacht. Meinem Gefühl nach ist das Ding uralt, Jahrtausende vielleicht.«
    »Deins auch?«, fragte Nicole.
    »Was meinst du?«
    »Na, dein Amulett natürlich!«
    Zamorra sah sie verblüfft an. »Mein Amulett? Aber das habe ich doch gar nicht hier. Das liegt im Château.«
    Nicole lachte auf.

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