0064 - Die Mühle der Toten
hinunter. Sie konnten nicht fliehen. Die unheimliche Macht hatte sie in ihren Bann geschlagen. Draußen heulte der Wind, warf ihnen Wassertröpfchen ins Gesicht.
Es hatte wieder angefangen, leicht zu regnen. Paulette und Roger spürten den Regen und die Kälte nicht. Der Geist folgte ihnen. Die Mühlenflügel drehten sich. Ein schweflig gelbes Feuer hatte sie erfaßt und erhellte die Umgebung der alten Mühle.
Man mußte es im Dorf sehen. Leute würden kommen und ihnen helfen, so dachte Paulette Martier. Aber sie erkannte gleich darauf, daß diese Hoffnung vergeblich war.
Jetzt wußte sie, was in Bresteville vorging. Die Menschen dort hatten eine höllische Angst. Nichts würde sie dazu bringen, sich in die Nähe der Geistermühle zu begeben.
Paulette schluchzte auf. Sie fragte sich, weshalb gerade sie und Roger Defils nach Bresteville hatten kommen müssen. Wer waren Martin und Yvette? Sie hatten dem buckligen Geist anscheinend übel mitgespielt.
Aber was konnten Paulette und Roger dafür?
Das rothaarige Mädchen sah, wie der Geist eine Kiste an die sausenden Mühlenflügel stellte. Er zog einen Strick mit einer Henkersschlinge unter seinem Wams hervor. Der Geist hob die Hand, und die Mühlenflügel blieben abrupt stehen.
Immer noch loderte das schwefelgelbe Feuer. Der Geist gab Roger Defils den Strick. Sein glühender Blick bohrte sich in die Augen des jungen Mannes. Roger Defils stieg auf die auf der Schmalseite stehende Kiste.
Er band den Strick am Mühlenflügel fest. Das schweflige Feuer verzehrte den Strick nicht, versengte auch Rogers Hände nicht. Er spürte es überhaupt nicht.
Der Geist beobachtete ihn, als er die Schlinge um seinen Hals legte und zuzog. Der Henkersknoten saß unter dem linken Ohr.
»Wie ich!« kreischte der Geist. »Wie ich! Du sollst als erster bezahlen, Martin Defils. Dann kommt diese Hure an die Reihe, die meine Frau war und die ich liebte.«
»Gnade!« rief Paulette. »Erbarmen!«
»Das gibt es hier nicht«, sagte der Geist, und fast war es Paulette, als klinge Trauer und Verzweiflung in seiner Stimme.
Roger Defils Gesicht war vor Entsetzen und Todesangst verzerrt.
Seine Augen waren geschlossen, er bewegte die Lippen in lautlosem Gebet.
Ein höhnisches, teuflisches Gelächter gellte. Nicht der bucklige Geist, jemand anders hatte es ausgestoßen. Jemand, der sich irgendwo in der Nähe befand und mit satanischer Freude das Schauspiel genoß.
Die Mühlenflügel begannen, sich wieder zu drehen. Das alte Räderwerk ächzte und knarrte. Der Henkersstrick schnürte Roger Defils Hals zu und erstickte seinen Schrei, noch bevor er richtig laut geworden war.
Die Mühlenflügel brannten immer noch mit dem schwefligen Geisterfeuer. Immer schneller drehten sie sich. Roger Defils hing an dem einen. Der Gehenkte wurde durch die Lüfte geschleudert, und es brauste und brüllte, heulte und schrie, als sei die wilde Jagd los und alle Dämonen entfesselt.
Das Knarren der Mühlenflügel ging in diesem Höllenlärm unter.
Paulette wußte nicht, wieviel Zeit verging. Ihr kam es wie eine Ewigkeit vor. Endlich standen die Mühlenflügel still. Roger Defils hing an einem, der schräg nach oben stand.
Sein Hals war seltsam abgeknickt. Das Gesicht verquollen und gräßlich verzerrt, schwarz angelaufen. Rogers weitaufgerissene, tote Augen starrten.
Der Geist stellte die Kiste wieder auf. Er zog einen zweiten Strick aus der Tasche seines altertümlichen Wamses. Seine lodernden Augen starrten Paulette an.
Wider Willen mußte das Mädchen zu dem Buckligen gehen, mußte den Strick nehmen. Wie eine Schlafwandlerin stieg Paulette auf die Kiste, band den Strick am Mühlenflügel fest. Von dem magischen Feuer spürte sie nichts. Regentropfen und Tränen benetzten ihr Gesicht.
Paulette hatte grauenvolle Angst. Aber sie mußte tun, was eine dämonische Macht ihr vorschrieb.
»Stirb, Yvette!« rief der bucklige Geist. »Stirb! Stirb! Stirb!«
Die schaurigen Ereignisse hatten ihren Höhepunkt erreicht. Gleich mußten die Mühlenflügel sich wieder bewegen. Paulette Martier schloß mit ihrem Leben ab.
»Halt!« rief da eine Männerstimme. »Armand Garascon, Beau Gunod, ihr werdet dieses Mädchen nicht töten!«
***
Professor Zamorra stand keuchend vor der Mühle. Das dämonische Geheule, das fast verklungen war, setzte mit voller Lautstärke wieder ein. Zamorra reckte sein magisches Amulett empor. Bill Fleming, Nicole Duval und Raoul Morgand kamen nun auch.
Ihre Wagen standen ein ziemliches Stück
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