0064 - Die Mühle der Toten
zurück, und wieder veränderte sich sein Äußeres.
Der schöne Mann mit dem schwarzroten Umhang und dem Barett erschien wieder. Beau Gunod zeigte, daß er Format hatte. Aus der Hüfte heraus verneigte er sich knapp vor Zamorra. Das dämonische Geheule verstummte abrupt.
»Tres bien, Professor Zamorra«, sagte der Dämon. »Ich muß Ihnen zugestehen, daß Sie diese Runde für sich entschieden haben. Aber wir sprechen uns noch. Au revoir!«
Er wurde zu einem glühenden Klumpen, der in die Mühle hineinraste. Ein scheußlicher Gestank breitete sich aus. Zamorra hielt sich die Nase zu. Das magische Feuer an den Mühlenflügeln erlosch. Es wurde sehr finster.
Nur von dem silbernen Amulett ging noch ein schwacher Lichtschimmer aus, eine Aura mehr. Silbrig und glänzend.
Der Gestank wich allmählich, und man roch wieder den Regen und das feuchte Gras.
»Worauf warten Sie noch, Zamorra?« rief Raoul Morgand. »Nehmen Sie Ihr Amulett, gehen Sie in die Mühle und geben Sie Beau Gunod und dem Müllergeist den Rest.«
»So dumm bin ich nicht«, sagte Zamorra. »Die Mühle ist das Reich des Dämons. In ihr kann er stärkere Kräfte aufbieten, als ich aufzubringen vermag, ob mit Amulett oder ohne. Diese Sache muß diffiziler angegangen werden. Wir fahren ins Dorf zurück.«
»Sie Feigling!« schrie Morgand. »Geben Sie mir das Amulett. Ich gehe hinein.«
»Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß Sie ein Dilettant sind«, sagte Zamorra schneidend. »Wenn ich Ihnen sage, daß Beau Gunod mit dem magischen Talisman allein in der Geistermühle nicht zu schlagen ist, können Sie mir das glauben. Denken Sie vielleicht, das Amulett hilft Ihnen, wenn er Ihnen ganz primitiv einen Stein an den Kopf wirft? Oder wenn Sie in eine andere Falle von der Art der Spießgrube geraten? Wir wollen das Mädchen zum Wagen schaffen. Hier ist jetzt nichts zu machen.«
Morgand war keineswegs überzeugt. Aber er sagte nichts mehr.
Zamorra und Bill Fleming hoben Paulette Martier auf, die jetzt wieder bei Bewußtsein war. Körperlich war ihr nicht viel passiert.
Aber der Schock und der ausgestandene Schrecken machten sie zu einem wimmernden, völlig apathischen Bündel. Sie hatte die Augen fest geschlossen.
»Was ist mit dem jungen Mann?« fragte Nicole Duval.
Zamorra schaute hoch. Er konnte die im Wind hin und her schaukelnde Leiche des Gehenkten nur als dunkle Silhouette erkennen.
»Um ihn können wir uns jetzt nicht kümmern«, sagte er. »Ihm ist ohnehin nicht mehr zu helfen.«
***
Paulette Martier wurde zu den mehr als einen Kilometer entfernt stehenden Autos getragen. Die vier anderen fuhren ins Dorf, zum Gasthof und Hotel ›Grappe blanc‹. Die beiden Gastzimmer waren gedrängt voll mit Leuten, die sie schon gespannt erwarteten.
Ausrufe des Erstaunens wurden laut. Niemand hatte mehr damit gerechnet, Professor Zamorra und seine Begleiter lebend wiederzusehen.
Bürgermeister Brissac trat auf Zamorra zu, der Paulette Martier auf seinen Armen trug.
»Was ist geschehen, Professor Zamorra? Ist das Mädchen verletzt?«
»Nein, sie hat nur einen Schock erlitten. Gibt es hier einen Arzt?«
Brissac schüttelte den Kopf.
»In Angoulême, zwölf Kilometer von hier.«
»Dann soll mir der Apotheker ein starkes Beruhigungsmittel geben. Das Mädchen braucht vor allem Ruhe. Herzschlag und Atmung sind regelmäßig, der Puls kräftig. Sie hat eine robuste Natur.«
Die Wirtin trat hinzu.
»Sie ist heute nachmittag hier angekommen«, sagte sie. »Ins Gästebuch hat sie sich als Paulette Martier aus Paris eingetragen.«
Brissac kratzte sich am Kopf. Ein geistreiches Gesicht machte er nicht gerade.
»Was will sie hier? Was hat sie bei der Geistermühle zu suchen?«
»Das werde ich noch herausfinden«, sagte Zamorra. »Der Spuk hier ist sehr, sehr schlimm, Messieurs. Weit gefährlicher, als ich zu Anfang angenommen hatte. Ich muß mir noch einen Weg überlegen, damit fertigzuwerden. Einer der mächtigsten Dämonen der Hölle hat seine Hände im Spiel.«
»Ich denke, es ist der verfluchte Müller, der da umgeht?« fragte der Bürgermeister.
»Armand Garascon ist nur die Marionette eines viel Größeren und Furchtbareren«, antwortete Zamorra ernst. Er wandte sich an die Wirtin. »Madame, geben Sie meiner Assistentin den Zimmerschlüssel des Mädchens und unsere. Jemand soll zum Apotheker hinüberlaufen.«
»Nicht nötig«, sagte ein kleines, dürres Männchen, das aussah wie ein mit Haut überzogenes Skelett. »Ich bin der Apotheker. Ich hole
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