0064 - Die Mühle der Toten
sind.«
»Ich möchte von Ihnen lernen, Professor Zamorra«, sagte der große Mann mit den tiefliegenden schwarzen Augen und dem Hunnenbart. »Ich glaube, Sie könnten mir viel beibringen.«
»Das eine oder andere schon«, meinte Zamorra. »Meinetwegen, Monsieur Morgand. Wir können in diesem Fall zusammenarbeiten, und wenn er abgeschlossen ist, sehen wir weiter.«
»Sehr schön, Professor Zamorra. Das freut mich. Ihre Mitarbeiter haben doch nichts dagegen?«
Nicole Duval mochte Raoul Morgand noch immer nicht. Aber sie akzeptierte die Entscheidung ihres Chefs. Sie zuckte auf unnachahmliche Art mit den Achseln.
»Wenn Sie sich dazu entschlossen haben, endlich ein vernünftiger Mensch zu werden, wollen wir Sie nicht davon abhalten, Morgand«, brummte Bill Fleming. »Zeit wird es ja in Ihrem Alter.«
Morgand hatte die Dreißig knapp hinter sich.
»Dann ist alles klar«, sagte er. »Ich verspreche ihnen allen, daß ich mich an Professor Zamorras Anweisungen halten und mich nicht vordrängen werde. So, und jetzt wollen wir einen Versöhnungsschluck trinken.«
Er zeigte die Flasche.
»Ein 53er Chablis. Der beste Tropfen, der im Gasthaus aufzutreiben war.«
Der ausgezeichnete Weißwein machte Morgand Bill Fleming fast sympathisch. Morgand zog einen Korkenzieher aus der Tasche und entkorkte die Flasche. Er schenkte Zamorra zunächst einen kleinen Schluck zum Kosten ein.
Zamorra probierte, schmeckte den Wein auf der Zunge und im Gaumen. Der Chablis hatte die richtige Temperatur, und sein Bukett war leicht und aromatisch.
»Sie haben sich wirklich Mühe gegeben, Morgand. Ein ausgezeichneter Schluck.«
Morgand lächelte. Er schenkte die Gläser ein. Die vier stießen an, und die Gläser klangen.
»Auf unsere gemeinsame Arbeit«, sagte Raoul Morgand.
Er führte das Glas an die Lippen und tat, als ob er einen kleinen Schluck trinke. Bill Fleming nahm einen größeren Schluck, Zamorra trank und auch Nicole Duval nippte nicht nur.
»Wir haben uns gerade überlegt, wie wir morgen vorgehen wollen«, sagte Zamorra. »Besorgen Sie sich doch irgendwo eine Sitzgelegenheit, Morgand.«
Zamorra, Bill Fleming und Nicole Duval saßen auf Stühlen. Paulette Martier atmete im Bett tief und regelmäßig. Sie schlief fest, und Zamorra hoffte, daß das erlebte Grauen sie im Schlaf nicht heimsuchen konnte.
Zamorra fühlte sich plötzlich auch sehr müde. Das Weinglas in seiner Hand wurde schwer. Er konnte es nicht mehr halten. Plötzlich, ohne daß er gemerkt hatte, wie es zuging, lag es am Boden und war zerbrochen.
Zamorra wollte aufstehen. Aber seine Glieder gehorchten ihm nicht.
»Chef, was ist?« hörte er Nicole wie von weither rufen.
Bill Fleming fing Zamorra auf, als er ohnmächtig vom Stuhl sank.
»Was ist denn jetzt los?« fragte er verwirrt und stellte sein Weinglas auf ein Tischchen.
Dann sank Nicole mit einem Seufzer zu Boden. Bill Fleming sah Morgand an. Er bemerkte das triumphierende Funkeln in seinen Augen, und er begriff mit dem letzten klaren Gedanken, den er fassen konnte.
»Morgand«, stammelte er mit immer schwerer werdenden Zunge, »Sie haben uns Knockout-Tropfen in den Wein getan.«
Dann lag auch er bewußtlos da, neben Zamorra. Morgand hob zynisch grinsend sein Weinglas.
»Allerdings, ihr Armleuchter. Salute!«
Er schüttelte dem bewußtlosen Zamorra den Inhalt des Glases ins Gesicht. Dann warf er das Glas in die Ecke, daß es zerbrach. Er beugte sich über Zamorra, riß sein Hemd auf und nahm ihm das silberne Amulett ab.
Triumphierend betrachtete er den im Lampenlicht glänzenden Talisman.
»Jetzt habe ich das magische Medaillon, das Geheimnis von Zamorras Macht über die Geister und Dämonen. Bei mir ist es in besseren Händen als bei diesem akademischen Umstandskrämer und Wichtigtuer. Nun werde ich dem Dämon in der Geistermühle zeigen, was eine Harke ist.«
Zuerst wollte er Zamorra, Bill Fleming und Nicole auf ihre Zimmer tragen und ins Bett legen. Falls jemand kam, um nach Paulette Martier zu sehen, sollte nichts auffallen. Sie würden bis zum Morgen tief und fest schlafen, schätzte Morgand.
Bis dahin war er am Ziel. Wenn Professor Zamorra dann versuchen sollte, sein Amulett von dem Bezwinger des Spuks von der Geistermühle zurückzuerhalten, sollte er nur kommen. Die Einwohner von Bresteville würden auf Raoul Morgands Seite stehen.
Und Morgand war nicht zimperlich in der Wahl seiner Mittel, falls Zamorra sich ernstlich mit ihm anlegen wollte.
***
Raoul Morgand fuhr durch das
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