0064 - Die Mühle der Toten
Ihnen gleich, was Sie brauchen, Professor.«
Nicole bekam den Schlüssel. Bill Fleming hielt Zamorra die Tür auf.
»Was ist mit dem jungen Mann?« fragte die Wirtin. »Roger Defils. Er ist mit Paulette Martier fortgegangen.«
»Ihn habe ich nicht mehr retten können«, erwiderte Zamorra leise.
»Er hängt an einem der Mühlenflügel.«
»Wir haben vom Dorf aus beobachtet, wie er starb«, sagte der Bürgermeister Brissac. »Allerdings konnten wir auf die Entfernung nicht erkennen, um wen es sich handelte. Der arme Mann. Ich möchte wissen, was er hier gesucht hat.«
Zamorra trug die schwach wimmernde Paulette Martier nach oben.
***
Zamorra, Bill Fleming und Nicole saßen an Paulette Martiers Bett.
Das rothaarige junge Mädchen schlief, von dem Beruhigungsmittel betäubt. Die Vorhänge waren zugezogen, und nur eine Tischlampe brannte.
Es war nach zehn Uhr abends geworden.
»Wir müssen morgen das Grab des Müllers Armand Garascon öffnen«, sagte Zamorra. »Paulette Martier wird uns sagen, was sich in der Mühle und kurz vor Roger Defils Tod genau abgespielt hat. Wir haben nur den Schluß mitbekommen.«
Nicole nickte.
»Oui, Chef. Der bucklige Geist machte mir nicht den Eindruck eines furchterregenden und bösen Dämons. Er kam mir vor wie ein Verdammter, eine geplagte Seele, die keine Ruhe finden kann.«
»So hat er sich selbst ja auch bezeichnet«, meinte Zamorra. »Wenn man nur wüßte, was sich damals vor zweihundert Jahren hier abgespielt hat. Warum beging der Müller Selbstmord und schloß den Pakt mit der Hölle? Dann wären wir um vieles weiter.«
»Vielleicht steht etwas im Stadtarchiv oder den Kirchenannalen der nächstgrößeren Stadt«, sagte Bill Fleming. »Angoulême ist nicht weit von Bresteville entfernt. Wahrscheinlich wurde das Dorf früher von der größeren Stadt mitverwaltet.«
»Das wäre möglich. Du wirst dich darum kümmern, Bill. Sieh zu, was du herausfinden kannst.«
Es klopfte. Raoul Morgand trat ein, mit einem verlegenen Grinsen im Gesicht. Professor Zamorra trug die Sachen, die er den ganzen Tag angehabt hatte. Ein kariertes Jackett, ein blaues Hemd und eine dunkle Hose.
Er wirkte ein wenig ramponiert. Vom Feueratem des Dämons waren Zamorras Augenbrauen und Wimpern versengt, sein Haar angekohlt. Am Körper hatte er ein paar blaue Flecke und Schrammen.
Auch Nicole und Bill Fleming wirkten ein wenig mitgenommen.
Bill hatte seine handgearbeitete Lederjacke, deren Naht geplatzt war, mit einem Stoffjackett vertauscht.
Die drei schauten Raoul Morgand an. Er hielt eine Flasche unter dem Arm und hielt vier Weingläser in der Hand. Die Leute aus der Gastwirtschaft unten waren schon nach Hause gegangen.
Bresteville erwartete in dieser Nacht eine Fortsetzung des Spuks.
In jeder Nacht, seit die Grabeshand zum erstenmal erschienen war, hatten unnatürliche Winde geheult, die Mühlenflügel geisterhaft gebrannt und war an Türen und Fensterläden gerüttelt worden.
»Wir sollten einen Schluck zur Versöhnung trinken«, sagte Raoul Morgand. »Sehen Sie, Professor Zamorra, es fällt mir schwer, das zu sagen. Aber ich habe mich Ihnen gegenüber falsch benommen. Sie sind die große Kapazität auf dem Gebiet der Dämonenbekämpfung und Geisterbeschwörung, und ich bin nur ein kleiner Anfänger. Es war falsch von mir, aus fehlgeleitetem Ehrgeiz Sie und Ihre Methoden anzugreifen.«
Zamorra kam dieser Meinungsumschwung seltsam vor. War das letzte Erlebnis bei der Geistermühle so nachhaltig gewesen, daß Morgand seine Meinung vollkommen geändert hatte? Zunächst hatte es nicht so ausgesehen.
Morgand schaute verlegen zu Boden.
»Machen Sie es mir nicht so schwer, Professor Zamorra. Also, ich möchte mich bei Ihnen und Ihren Mitarbeitern entschuldigen.«
»Akzeptiert«, sagte Zamorra, immer noch recht kühl. »Vergessen wir die Sache. Wir machen alle mal Fehler.«
»Sehen Sie, es ist mein Wunsch, die Dämonen und die bösen Mächte zu bekämpfen. Eine Zeitlang meinte ich, auf diesem Gebiet der Größte sein zu müssen und keine Konkurrenz neben mir dulden zu dürfen. Jetzt sehe ich, wie unsinnig das ist. Wir haben das gleiche Ziel, und es spielt keine Rolle, wer der größere Fachmann oder der Erfolgreichere ist. Wir sind schließlich keine Sonntagsjäger, die auf einer Strichliste abgeknalltes Wild abhaken. Jeder tut sein bestes.«
»So sehe ich das auch, Monsieur Morgand«, antwortete Zamorra, nun ein wenig zugänglicher. »Es freut mich, daß Sie zur Einsicht gekommen
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