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0064 - Die Mühle der Toten

0064 - Die Mühle der Toten

Titel: 0064 - Die Mühle der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Appel
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gelaufen, als ich das sah. Allein gehe ich da nicht mehr hin.«
    Der Bürgermeister meinte, daß Faber sich getäuscht hätte. Aber der Totengräber blieb hartnäckig. Erst wollte der Bürgermeister den Wirtssohn und einen anderen jungen Burschen losschicken, um auf dem Friedhof nachzusehen. Dann entschloß er sich, selbst mitzukommen.
    Die meisten Männer aus dem Bistro schlossen sich an. Die Abwechslung war ihnen willkommen. Ausgelassen und Witze reißend gingen sie durch das Dorf Bresteville. Der Friedhof lag zum Fluß hin. Eine Pappelallee führte zu ihm.
    Hohe Ulmen standen auf dem Friedhof. Es war düster, trübe und regnerisch. Als die Männer sich dem Gottesacker näherten, wurden sie ruhiger. Eine unheimliche Stille lag über dem Friedhof. Die massive Mauer, die ihn umgab, wirkte, als berge sie etwas Bedrohliches.
    Das Türmchen der Friedhofskapelle ragte schwarz in den düsteren Himmel. Ein Käuzchen schrie. Die Männer gingen über nasses, totes Laub zum eisernen Friedhofstor, dessen rechter Flügel offenstand.
    Zwischen den Grabsteinreihen nistete die Dunkelheit. Hier und da leuchtete ein heller Blumenstrauß als weißer Fleck. Bürgermeister Brissac übernahm die Führung. Kies knirschte unter den Schritten der Männer.
    Wieder schrie das Käuzchen. Keiner sagte jetzt mehr ein Wort. Die Männer spürten die unheimliche Atmosphäre auf dem Friedhof, wenn es auch keiner zugab. Einer hustete und schneuzte dann ins Taschentuch.
    Der ältere Teil des Friedhofs war durch eine niedere Mauer aus Bruchsteinen abgeteilt. In der hintersten Ecke des Friedhofs lag das Grab des verfluchten Müllers. Nur vier Gräber befanden sich in seiner unmittelbaren Nähe. Landstreicher, eine Zigeunerin und ein unbekannter deutscher Soldat waren darin bestattet.
    Gesindel, wie die Einwohner von Bresteville sagten. Anständige Menschen wurden nicht in dem verfluchten Winkel bestattet.
    Das Grab des verfluchten Müllers war das weitaus älteste. Die Grabumrandung war eingesunken, der verwitterte, schäbige alte Grabstein stand schief. Auf dem Grabhügel wucherten Gras und Unkraut.
    Jetzt im Herbst war alles vergilbt.
    »Da!« sagte der Totengräber mit zitternder Stimme.
    Die Männer, die einigen Abstand von dem Grab hielten, standen da, die Hände in den Hosentaschen. Sie sahen etwas Bleiches. Der Wirtssohn leuchtete mit der mitgebrachten Taschenlampe. Ihr Lichtkegel ließ es deutlich erkennen.
    Es war eine Hand, die aus der Erde ragte. Bleich, die Finger nach vorn gekrümmt, als wolle sie gleich zupacken. Es war kalt auf dem Friedhof, und es schien, als ginge die Kälte von dieser Hand oder von dem verfluchten Grab aus.
    Lange starrten die Männer auf die Hand.
    »Ich weiß nicht, was das bedeutet«, sagte einer von ihnen. »Aber sicher nichts Gutes.«
    »Wie lange ist es denn her, seit der verfluchte Müller gestorben ist?« fragte ein anderer.
    »Na los, sieh schon nach!« sagte der Bürgermeister zu dem Wirtssohn. »Auf dem Grabstein muß es geschrieben stehen.«
    Der Wirtssohn wollte nicht näher als auf drei Meter an die Totenhand heran. Der Bürgermeister, der Oberlehrer und ein stämmiger Weinbauer namens Charrot wagten sich schließlich heran. Sie hatten Mühe, die Inschrift auf dem Grabstein zu entziffern.
    Es war zweihundert Jahre her, seit der bucklige Müller Armand Garascon den Tod gefunden hatte. Von eigener Hand, stand auf dem Grabstein.
    ***
    Die Kirchturmuhr schlug zweimal. Es war halb acht. Ein Seufzer ertönte, und die bleiche Hand wurde in die Erde zurückgezogen. Die Männer sahen sich an. Nach einer kurzen Weile verließen sie den Friedhof.
    Jeder von ihnen fühlte sich unbehaglich in der naßkalten Herbstdämmerung.
    »Ich habe so ein Gefühl, daß es bei dem Erscheinen der Hand nicht bleibt«, sagte der Totengräber.
    Keiner widersprach ihm. Niemand mochte sich mehr über ihn lustig machen.
    An diesem Abend wurde viel gemunkelt und erzählt in Bresteville. Um Mitternacht gellte die Feuersirene im Dorf. Die Ruine der alten Mühle über dem Fluß brannte, so sah es aus. Wenn man das Dorf verließ, sah man, daß nur die Mühlenflügel in Flammen standen.
    Der Feuerschein erhellte den Himmel nicht rot, sondern er ließ ihn schweflig gelb erscheinen. Es war eine unnatürliche, unheimliche Farbe, wie man sie noch nie gesehen hatte.
    Es rückte keine Feuerwehr aus, um die alte Mühle zu löschen. Gegen ein Uhr erlosch das Feuer von selbst. Es hatte nicht den Anschein, als sei die Mühlenruine schwer beschädigt

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