0065 - Gefangen in der Mikrowelt
Mann hieß Fleuvee. Er war groß, stattlich, trug einen Vollbart, hatte einen gewaltigen Leibesumfang und kleine Augen. Einen Beruf besaß er auch.
Er war bei der Polizei!
Kommissar Fleuvee.
Ein Routinier, ein Praktiker, ein Kenner der Unterwelt, ein Mann, vor dem die Pariser Ganoven zitterten. Denn Fleuvee machte es wie manche Kino-Kommissare. Bei seinen Ermittlungen blieb oft kein Auge trocken.
Das wußte auch Fleuvees Stellvertreter. Bei ihm ließ der Kommissar oft Dampf ab.
Pierre Montini, der zweite Mann, war genau das Gegenteil von Fleuvee: lang und dürr. Er trug eine dunkle Hornbrille auf der schmalen Nase und mußte sein Sehgestell mehrmals in der Minute hochschieben, weil es immer wieder nach unten rutschte. Er schaute dann über die Ränder hinweg und blinzelte wie ein liebeskranker Hamster.
So schaute er auch Jane Collins an.
»Da haben Sie uns ja etwas eingebrockt«, sagte er mit seiner tiefen Grabesstimme.
Jane suchte nach ihren Zigaretten und hob den Blick, um Montini ins Gesicht schauen zu können. »Wieso ich? Das waren die anderen.«
»Ich sehe aber keine.«
Jane hatte die Zigarette gefunden und klemmte sich das Stäbchen zwischen die Lippen.
Montini gab ihr Feuer.
»Nein«, sagte Jane, »Sie sehen keine, aber sie waren da, und der Beweis ist auch erbracht.«
Montini schob seine Brille wieder nach oben. Dann verknotete er seine langen Finger und ließ die Knochen knacken, worauf Jane das Gesicht verzog. »Stimmt schon, was Sie sagen, Mademoiselle Collins, aber machen Sie das einmal dem Kommissar klar. Er ist manchmal, nun ja, ein wenig eigen.«
Eigen ist gut, dachte Jane. Der Knabe ist ein Brüllaffe. Er war der Detektivin schon bei seiner Ankunft auf den Wecker gefallen. Die nähere Umgebung hatte sich sowieso in ein Polizeilager verwandelt. Scheinwerfer leuchteten die Stelle aus, wo der Zwerg lag. Polizisten hatten einen Absperring gebildet, um Neugierige fernzuhalten. Denn das, – was in der Garage geschehen war, durfte normalerweise gar nicht sein. Wenn es sich herumsprach, daß in Paris mordende Zwerge herumliefen, konnte es unter Umständen zu einer Panik kommen.
Und gerade die wollte der Kommissar vermeiden. Auch er hatte zu den Zweiflern gehört, als zum ersten Mal von den Zwergen gesprochen wurde. Nun mußte er sich selbst mit einem Fall befassen, und das ging ihm gegen den Strich.
Die Frau des Opfers war nicht vernehmungsfähig. Sie hatte einen Nervenschock bekommen. Der Arzt gab ihr zwar einige Spritzen, aber auf dem Damm war sie immer noch nicht.
Und der Zwerg war ebenfalls nicht ansprechbar. Als Jane ihn zuletzt gesehen hatte, hockte er auf dem Boden, knurrte hin und wieder wie ein Tier und fletschte die Zähne.
Es war schlimm.
Und mit all den Dingen mußte sich Kommissar Fleuvee beschäftigen.
Klar, daß er dicht vor einem Nervenzusammenbruch stand. Er hatte Jane Collins zu verstehen gegeben, daß sie sich zur Verfügung halten müsse. Jane hatte zugestimmt.
Jetzt stand sie bei Pierre Montini.
»Was wollen Sie eigentlich in Paris, Mademoiselle Collins?« fragte der Inspektor. »Sie sind schließlich Privatdetektivin.«
Das hatte Jane den Männern erzählt. Ganz natürlich, daß sie mißtrauisch wurden, und gerade Kommissar Fleuvee war kein Freund von privaten »Schnüfflern«, wie er selbst sagte. Ihn interessierte es auch nicht, daß er bei Jane eine Frau vor sich hatte. Schnüffler blieb für ihn eben Schnüffler.
Jane Collins gab auf die Frage des Inspektors eine Antwort. »Ich wollte mich in der Stadt mit jemandem treffen.«
Montini schob seine Brille wieder hoch und strich mit dem gestreckten Daumen durch sein Nackenhaar. »Ist der Name ein Geheimnis, Mademoiselle?«
»Nein. Es ist Professor Zamorra.«
Die Augenbrauen des Polizisten ruckten in die Höhe. »Zamorra«, murmelte er, »also gehört habe ich den Namen schon einmal. Wenn ich nur wüßte, wo. Helfen Sie mir doch mal auf die Sprünge, Mademoiselle Collins.«
Jane lächelte. »Professor Zamorra ist ein weltberühmter Parapsychologe.«
»Ha, stimmt.« Montini schlug sich gegen die Stirn. »Der Spinner aus dem Loire-Tal.«
Janes Gesichtszüge verhärteten sich. »So würde ich ihn nicht gerade nennen, Monsieur.«
»Pardon, aber bei uns hat er diesen Spitznamen. Ich glaube, der Kommissar hatte schon mal mit ihm zu tun. Die beiden sind nicht gerade Freunde geworden. Ihre Ansichten sind zu verschieden. Und Sie kennen ja Fleuvee. Er läßt nur seine Meinung gelten.«
Die Detektivin nickte. »Ja,
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