0066 - Dämonenrache
einem letzten stummen Schrei geöffnet. Es roch in dem Hausflur wie in einer Mumiengruft.
Die leuchtenden Farben des Dämonenkopfes auf dem Bauch des Berbermädchens verblaßten. Die Fratze sah jetzt nicht mehr so gräßlich aus, wirkte nicht mehr so furchtbar und lebendig.
Abu Dschafars Werk war getan. Die starren Augen des Mädchens gewannen wieder Leben. Fatme knöpfte ihre Bluse zu und verhüllte die Brüste und den tätowierten Dämonenkopf. Ruhig durchsuchte sie das Haus.
Sie ließ sich Zeit dabei, aber sie fand nichts, was von Interesse gewesen wäre. Dr. Briand hatte den Entwurf des Telegramms klugerweise vernichtet. Das Mädchen sah noch einmal auf die sterblichen Überreste des Arztes.
»So wird es allen ergehen, die sich gegen Abu Dschafar stellen«, flüsterte das Mädchen. »Bei Abd el Bekim.«
Ohne noch einen Augenblick zu zögern, ging Fatme durch die Rückwand des Hauses davon. Sie lief hindurch, als wäre die Wand nur ein Nebelstreif oder eine Vision. Fatme trug den Kopf Abu Dschafars, und für sie galten viele Gesetze dieser Welt nicht mehr.
Das Mädchen, das aus Fleisch und Blut war, verschwand wie ein Spuk.
***
Professor Zamorra erhielt Dr. Pierre Briands Telegramm nicht auf Schloß de Montagne, sondern auf dem Forschungsschiff ›M.S. René Descartes‹ im Sargassomeer. Auf diesem Schiff hatten sich ein Dutzend Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen zusammengefunden, um die Rätsel des Bermuda-Dreiecks zu erforschen, in dem schon Dutzende von Schiffen und ganze Flugzeuggeschwader spurlos verschwunden waren.
Auch Zamorras hübsche Sekretärin Nicole Duval, die für ihn längst mehr war als eine Mitarbeiterin, und sein Freund Bill Fleming waren an Bord. Herausgekommen war bei der mit modernsten Mitteln ausgerüsteten Forschungsexpedition nichts.
Weder Radar-, Sonar- noch Ultraschall- oder atmosphärische Messungen ergaben etwas. Tauchversuche in der Tangschicht des Sargassomeers, dessen Oberfläche so glatt lag wie ein Spiegel, brachten kein Ergebnis und auch Messungen des Magnetismus und alle möglichen anderen Experimente erzielten nicht den gewünschten Erfolg.
Statt dessen gab es an Bord des zum Forschungsschiff umgebauten ehemaligen Zerstörers jeden Tag Streitereien. Von den wissenschaftlichen Kapazitäten wollte keiner die Meinung des anderen gelten lassen. Aber jeder war zutiefst beleidigt, wenn seine eigene nicht rückhaltlos anerkannt und bewundert wurde.
Lediglich Professor Zamorra und Bill Fleming sowie ein oder zwei weitere Wissenschaftler an Bord bildeten löbliche Ausnahmen. Es waren schon vierzehn Tage mit ergebnislosen Forschungen und kleinlichem Gezänk vergangen, als Zamorra in der Messe das per Funkspruch übermittelte Telegramm erhielt.
Der Funkmaat gab ihm die Abschrift. Zamorra las und runzelte die Stirn. Nicole, die bisher einem Streitgespräch zwischen einem Physiker und einem Exobiologen zugehört hatte, beobachtete den Professor gespannt.
»Etwas Wichtiges, Chef?«
»Hm«, brummte Zamorra, der die Nachricht noch einmal las und dann zu überlegen begann.
Bill Fleming schaufelte die dritte Nachtischportion Erdbeeren mit Schlagsahne in sich hinein und war im Moment nicht ansprechbar.
Der Physiker am Nebentisch behauptete weiter steif und fest, von Zeit zu Zeit auftretende Gravitationsphänomene seien für die Ereignisse im Sargassomeer verantwortlich.
Der Exobiologe meinte, es handele sich hier um ein Jagdgebiet außerirdischer Intelligenzen, die sich ab und an Prototypen des Menschen und seiner Technik holten. Die beiden Wissenschaftler gerieten sich beinahe in die Haare.
Daß sie sich nicht die Teller an den Kopf warfen, war alles.
Professor Zamorra gab Nicole das Telegramm. Der Absender war ein gewisser Dr. Pierre Briand in Tanger. Es war ein Eiltelegramm mit dem Vermerk dringend. Der Text verriet Ratlosigkeit und Angst des Absenders.
›Professor Zamorra, erbitte Ihren sofortigen Besuch Tanger. Dämonische Umtriebe festgestellt, fürchte für mein Leben. Weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden sollte. Stichworte: Abu Dschafar, Vater des Grauens, Tätowierungen. Weiß selbst nichts Genaues, da Informanten furchtbare Angst.
Dr. Pierre Briand.‹ Nicole gab das Telegramm an Bill Fleming.
Er las und fragte mit vollem Mund: »Dr. Briand, ist das nicht der steifbeinige alte Vogel, den wir mal in Paris getroffen hatten.«
»Bei dem Parapsychologenkongreß vor drei Jahren, jawohl«, sagte Zamorra, der ein ausgezeichnetes Personengedächtnis hatte.
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