0066 - Dämonenrache
Insel, in den das Zeichen des Halbmondes eingeritzt werden sollte, das heilige Zeichen des Islam.
Harun al-Raschid schickte einen seiner Haremssöhne nach Tingis und ein paar von seinen Weisen. Sie kamen als kleine Handelskarawane getarnt, denn Kadir Muktadim, Abu Dschafar, hatte große Macht gewonnen im Sultanat.
Damals schon hatte er einen Geheimbund aus den übelsten Subjekten begründet. Sie waren mit einer eintätowierten, scheußlichen Dämonenfratze gezeichnet. Es hieß, daß diese Dämonenfratzen zu ihnen sprechen und ihnen Weisungen von Kadir Muktadim erteilen könnten. Auch, daß Kadir Muktadim, Abu Dschafar, durch die Augen dieser Dämonenfratzen sehen könne, über riesige Entfernungen hinweg.
Der Haremssohn des Harun al-Raschid – Akhbar war sein Name – gelangte also mit den Weisen nach Tingis. Er sprach nur kurz mit dem Sultan, der ihm sofort seine Palastgarde zur Verfügung stellte, und drang dann in den Palast des Kadir Muktadim ein.
Furchtbares geschah. Kadir Muktadim, Abu Dschafar, wurde überrascht, mit dem Mondstein gebannt und gefangengesetzt. Seine Anhänger und Diener wurden niedergemacht. In den Gewölben unter dem Palast aber wurden so entsetzliche Dinge gefunden, daß einige Krieger der Palastgarde und einer der Weisen des Harun al-Raschid wahnsinnig wurden.
Andere Männer bekamen über Nacht weiße Haare. Akhbar aber, der bis in die untersten Gewölbe vorgedrungen war mit einem halben Dutzend der tapfersten Kämpfer und allein zurückkam, trug von da an den Beinamen ›Der Schweigsame‹.
Er erzählte nie, was er unter dem Palast des Abu Dschafar fand.
Nur, daß jenes Übel mit den Klingen der Krummschwerter und brennendem Öl aus der Welt getilgt worden sei.
Den Rest zu erzählen, dauert nicht mehr lange.
Der Palast des Abu Dschafar wurde geschleift und vernichtet, seine Anhänger, soweit sie nicht flüchten konnten, getötet. Chadischa erlitt eine Fehlgeburt – über die Art des Kindes soll hier nichts näheres gesagt sein – und Oman al-Bakr starb bald darauf in Gram und Verzweiflung.
Als Abu Dschafar gerichtet werden sollte, den jetzt jeder mit diesem Name nannte, entblößte er seine Brust. Ein scheußlicher Dämon war darauf tätowiert.
»Wer mich tötet, in den wird dieser Dämon fahren!« rief er. »Er wird furchtbares Unheil über euch alle bringen. Überlegt es euch gut!«
Oman al-Bakr und Akhbar der Schweigsame trauten es Abu Dschafar zu, daß er die Wahrheit sagte. So kamen sie überein, ihn auf andere Weise zu Tode zu bringen, daß sein Dämon ihn nicht rächen konnte.
Abu Dschafar wurde geblendet, seine Trommelfelle durchbohrt und seine Zunge herausgeschnitten, damit er keine Flüche mehr ausstoßen konnte. Dann wurde er in Ketten geschmiedet, durch die Stadt gefahren und in eine Höhle in den Rif-Bergen gebracht, wo man ihn einmauerte.
Hunger und Durst sollten ihn töten, so daß keine bestimmte Person für seinen Tod verantwortlich war.
Nur ein Stein fehlte in der Mauer, so daß Wächter Abu Dschafars Ende beobachten konnten.
Er starb aber nicht, sondern die Wächter berichteten entsetzt, daß er versteinerte. Mehr noch, daß er das Äußere des scheußlichen Dämons annahm, dessen Tätowierung er an deinem Körper trug.
Oman al-Bakr war zu diesem Zeitpunkt schon tot.
Akhbar der Schweigsame wurde der Sultan von Tingis. Er wollte Chadischa, deren Schönheit die furchtbaren Erlebnisse nicht hatten zerstören können, zu seiner Gemahlin machen. Aber sie wollte sein Lager nicht mehr teilen, nachdem sie einem Ungeheuer wie Abu Dschafar gehört hatte.
Chadischa wurde eines Morgens tot aufgefunden, das schöne Gesicht vor Grauen gräßlich verzerrt. Abu Dschafar hatte sie geholt. Er hatte auch Akhbar den Schweigsamen holen wollen, doch diesen rettete die Tatsache, daß er einen Mondstein um den Hals trug.
So mußte der kalte Schatten wieder gehen, der durch die Mauer in sein Gemach trat. In der Höhle in den Rif-Bergen aber befand sich nach jener Nacht der versteinerte Dämon. Eine Statue von solcher Scheußlichkeit, daß alle erschraken, die ihn sahen. Akhbar der Schweigsame ließ die Höhle vollends verschließen und die Mauer von Weisen und Korangelehrten besprechen und verschwören.
Er klemmte mit eigener Hand ein paar Mondsteine zwischen die Fugen der Steine. Dann wurde ein künstlicher Steinschlag ausgelöst, der den Höhleneingang vollkommen verschüttete.
Beinahe zwölfhundert Jahre lang hat man nichts mehr von Abu Dschafar
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