0066 - Todesgeister der Sahara
einverstanden, und während ich Suko bei der Zubereitung des Abendessens half, unternahm sie mit Alia einen längeren Spaziergang. Nach dem Essen zog ich mich mit Jane hinter die Zelte zurück, die wir inzwischen aufgeschlagen hatten.
»Keine Anhaltspunkte«, berichtete sie enttäuscht. »Ich habe nur erfahren, daß ihr Mann vor zwei Jahren am Fuß der ›Zähne des Scheitans‹ von Wüstenräubern ermordet wurde. Das ist alles. Ihr Mann war Engländer, lebte in Tunesien und arbeitete in der Landwirtschaft. Nicht sehr aufregend. Sie muß George sehr geliebt haben. Jedenfalls konnte sie heute noch nicht frei darüber reden.«
»Verständlich.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich hätte gern mehr über Alia gewußt, ehe wir morgen die ›Zähne des Scheitans‹ erreichen. Daraus wird offenbar nichts. Ich muß mich damit abfinden.«
Jane schüttelte sich. »Was steckt dahinter?« fragte sie leise. »Bill und dieser Tom Turner werden entführt! In London ein Mordanschlag auf dich, in Tunis ebenfalls. Ich werde in Tunis entführt, von diesem unheimlichen Mann, der seine Augen verdrehen kann, werden meine Gedanken gelesen… ich habe Angst, John!«
Ich legte meinen Arm um ihre Schultern. »Ich auch«, gestand ich ein. »Ich denke an die elf Männer, die die Karawane begleitet haben und spurlos verschwunden sind. Und ich denke an Bills Telegramm. Er hat mich vor Fledermäusen gewarnt. Damit hat er bestimmt Dämonen gemeint, von denen wir einen heute gesehen haben. Er erinnerte entfernt an eine Fledermaus.«
»Die Todesgeister der Sahara.« Jane schmiegte sich an mich. »Wir wissen so gut wie gar nichts über sie.«
»Ich weiß nur, daß sie uns alle töten werden«, sagte Alia.
Ich drehte mich rasch zu ihr um und spannte mich. Sie dachte jedoch gar nicht daran, uns anzugreifen. Auf ihrem Gesicht lag ein wehmütiges Lächeln.
»Morgen erreichen wir die ›Zähne des Scheitans‹, John«, fuhr sie fort. Im Mondlicht schimmerten ihre Augen. »Dort wurde George, mein Mann, ermordet.«
Ich suchte nach Worten. Ich wollte irgend etwas sagen, damit sie nicht merkte, daß ich sie verdächtigte.
»Ist Ihr Mann hier in der Wüste begraben?« fragte ich.
Alia nickte. »Wir waren eine Gruppe von sechs Personen«, erzählte sie stockend. »Die Räuber überfielen uns nachts. George warf sich ihnen entgegen. Sie schossen ihn nieder. Er war nicht gleich tot, sondern lebte noch einen vollen Tag. Meine Begleiter wollten Hilfe holen, aber George starb in meinen Armen. Wir haben ihn an Ort und Stelle begraben.« Sie machte eine kurze Pause und sprach dann so leise weiter, daß ich sie kaum verstand. »Und ich werde diesmal die ›Zähne des Scheitans‹ nicht lebend verlassen, ich fühle es.«
Ich wollte widersprechen, doch Alia wandte sich ab und schritt hastig in die Wüste hinaus. Betroffen sahen wir ihr nach. Ich wußte nicht, was ich von ihrer Prophezeiung halten sollte, aber sie hatte sehr ernst gesprochen.
Spielte sie uns eine Komödie vor, oder hatte sie wirklich Todesahnungen? Der nächste Tag, spätestens die nächste Nacht mußte uns Klarheit bringen.
***
Die nächste Morgen brachte erst einmal Schwierigkeiten sehr natürlicher Art. Anstelle von drei Wagen hatten wir nur mehr zwei. Noch dazu hatten wir unsere Fahrzeuge vollgeladen, damit wir unterwegs für alle Fälle gerüstet waren. Nun rächte sich das. Wir waren zwei volle Stunden damit beschäftigt, das Gepäck anders zu verstauen.
Endlich hatten wir es geschafft, so daß wir alle Platz fanden. Es war unbequem, aber es ging.
Suko übernahm das Steuer des einen Landrovers, ich das des zweiten. Während wir die Motoren ein wenig warmlaufen ließen, wandte ich mich an Kommissar Mahmud.
»Beschreiben Sie mir den Weg, den alle Karawanen nehmen«, verlangte ich. »Also vermutlich auch die Todeskarawane, die in Tunis ohne die Begleiter angekommen ist.«
Der Kommissar machte eine vage Handbewegung. Er deutete durch die Windschutzscheibe. »Immer auf der Piste bleiben, Monsieur Sinclair. Die Straße ist auf der Route der alten Karawanenwege angelegt. Aber während die Karawanen durch ein Schluchttal der ›Zähne des Scheitans‹ ziehen, umfahren die Autos das Gebirge. Es ist einfacher, und mit einem Wagen kommt es auf ein paar Kilometer mehr oder weniger nicht an.«
Ich wandte mich an Alia. Sie saß ebenfalls in unserem Landrover. Heute war sie besonders nervös und fahrig, obwohl sie sich bemühte, ihre Stimmung vor den anderen zu verbergen. Ich kannte den Grund, auch
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