0066 - Wächter der Verbannten
etwas zum Vorschein kommen, was wie ein flaches Motorboot aussah. Mit einem Ruck schoß es aus der Öffnung heraus und verschwand in der Finsternis. Man hörte das gleiche hohle Rauschen wie ein paar Minuten zuvor. Das Luk schloß sich wieder.
Chellish schien nicht besonders aufgeregt, als er sagte: „Wenn Sie mich fragen: Das ist ein Raumschiff!"
Mullon hatte schon einen ähnlichen Gedanken gehabt, ihn aber wieder beiseitegeschoben, weil er es für närrisch hielt zu glauben, ein Raumschiff dieser Größe könne, nur wenige Kilometer von Greenwich entfernt, in der Stille der Nacht landen, ohne, daß jemand etwas davon hörte. Die Frage, wie der Turm denn sonst dahingekommen sein sollte, konnte er allerdings auch nicht beantworten.
Er erklärte Chellish seine Bedenken.
„Ach, das ist gar nichts", antwortete Chellish. „Wenn sie ein Feldtriebwerk benutzen, hört man nicht mehr als das Rauschen der verdrängten Luft, und das ist wenig genug, wenn sich das Schiff langsam bewegt."
„Aber wer, zum Donnerwetter, könnte mit einem so großen Raumschiff ausgerechnet auf Gray Beast landen?"
„Um das herauszufinden, sind wir, denk ich, hierhergekommen", antwortete Chellish.
In diesem Augenblick änderte sich plötzlich die Szene. Ein fahler Blitz zuckte über die Ebene, den Turm vor ihnen - natürlich war er ein Raumschiff, das konnte man jetzt sehen - für eine halbe Sekunde in bläulichgrünes Licht tauchend. Der Boden begann zu zittern, und gleich darauf rollte der Donner einer mächtigen Explosion über sie hinweg.
Sie wandten sich um. Hinter ihnen war der Himmel plötzlich rot geworden. Das Wrack der ADVENTUROUS hob sich als finsterer Klotz gegen den hellen Hintergrund ab. Eine riesige Stichflamme schoß weit darüber hinaus, und wenige Augenblicke später hörten sie das Dröhnen einer zweiten Explosion.
„Die Stadt!" schrie Mullon und vergaß alle Vorsicht. „Sie bombardieren die Stadt! Los, zurück!"
Chellish hätte eine Menge gegen diesen Vorschlag einzuwenden gehabt, aber er schwieg lieber. Jetzt, da sich bei dem fremden Raumschiff immer noch nichts regte und niemand sie zu beobachten schien, bewegten sie sich nicht mehr kriechend, sondern rannten offen und ungedeckt über das Gras, um die Stadt so schnell wie möglich zu erreichen.
Chellish konnte gerade noch verhindern, daß sich Mullon und seine Begleiter kopfüber ins Verderben stürzten.
„Nicht geradeaus!" keuchte er, als er sah, daß Mullon auf dem geraden Wege nach Greenwich hineinlaufen wollte.
„Wir müssen erst wissen, was los ist."
Mullon war ihm dankbar für den Rat. Er blieb einen Augenblick stehen, um die leergepumpten Lungen Luft holen zu lassen. Er merkte, daß er auf dem besten Wege gewesen war, den Kopf zu verlieren. Aus der Nähe konnten sie sehen, daß ein paar Häuser am südlichen Stadtrand lichterloh brannten. Die Fremden - der Himmel mochte wissen, wer sie waren - hatten wahrscheinlich eine Bombe dorthin geworfen, denn die aus Plastik hergestellten Fertigbauteile, aus denen die Häuser bestanden, waren unter normalen Umständen nicht entzündbar. Hier standen jedoch einige holzverkleidete Schuppen und die Kraftstation.
Sie schlugen einen Bogen um die Stadt und näherten sich ihr von Nordwesten. Die brennenden Häuser am Südrand warfen schwaches Licht über die Prärie und machten die Orientierung leicht. Sie sahen Menschen durch die Straße laufen, unter ihnen ein paar fremdartige, lange und dürre Gestalten.
„Das sind die, von denen ich einen gesehen habe", rief Milligan. „Wahrscheinlich sind sie mit dem Raumschiff gekommen."
„Aber was wollen sie, mein Gott?" stöhnte Mullon. „Beute machen? Ausgerechnet bei uns?"
Chellish hatte inzwischen die Lage zu durchschauen versucht.
„Am Nordrand scheinen sie bis jetzt noch nicht gewesen zu sein", meinte er. „Am besten, wir halten uns dort hinüber. Vielleicht können wir unseren Leuten helfen. Ich denke, sie brauchen nur einen, der den Widerstand organisiert."
Sie liefen hinüber. Sie brauchten nicht zu befürchten, daß man sie entdeckte, denn in der Stadt war es infolge des Brandes heller als draußen auf der Ebene.
Das erste Haus, das sie erreichten, gehörte O'Bannon. Der Siedler stand hinter dem Fenster und hatte den Lauf seines Gewehrs unter der halb nach oben geschobenen Scheibe hindurchgesteckt. Als Mullon ihn anrief, zuckte der Lauf zur Seite, und Mullon schwebte ein paar Sekunden lang in Lebensgefahr. Dann erkannte ihn O'Bannon.
„Horace! Komm
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