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0068 - Die Geisternacht

0068 - Die Geisternacht

Titel: 0068 - Die Geisternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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wir doch nun alles ausgiebig besprochen. Wir sind uns darüber einig, dass wir nicht in unsere eigene Zeit zurückkehren dürfen, bevor wir herausgefunden haben, ob es Dinge in dieser Zeit gibt, von denen die Geschichtsbü- cher nichts berichten. Und das können wir nur herausfinden, wenn wir uns umsehen. Hier in unserem Versteck erfahren wir gar nichts. Und außerdem wollen wir die praktische Seite nicht vergessen. Wir brauchen Essen und Trinken. Und natürlich auch etwas zum Anziehen.«
    Nicole blieb störrisch. »Und wenn schon«, widersprach sie. »Tizoc hat sich so weit erholt, dass er allein gehen kann. Er ist ja sogar bereit dazu. Stimmt es, Tizoc?«
    Der Indianer bejahte.
    »Da siehst du es, Chef. Er wirkt wie ein Mensch, der in dieser Welt zu Hause ist. Aber du? Du bist größer als die Bewohner und du hast eine weiße Hautfarbe. Du wirst sofort auffallen. Und dann…«
    Sie brach abrupt ab, schluchzte beinahe.
    »Vielleicht sollte doch lieber ich gehen«, mischte sich Bill in das Gespräch. »Wenn sie sich so sehr grämt…«
    »Fängst du jetzt auch noch an, Bill?«, entrüstete sich der Professor.
    »Ein blonder Indianer – das soll ja wohl ein Witz sein. Ich habe wenigstens dunkle Haare und einen dunklen Teint. Nach der Devise ›Nachts sind alle Katzen grau‹ werde ich schon durchkommen.«
    »Warum kann Tizoc nicht alleine gehen?«, kam Nicole auf die Frage von gerade zurück.
    Zamorra seufzte. Dann antwortete er. Auf Französisch, um den Indio nicht zu verletzen.
    »Sei doch vernünftig, Nicole. Unser Freund hier ist ein braver, tapferer Bursche. Aber er ist ein einfacher Mann vom Land. Er wüsste wahrscheinlich gar nicht, wonach er Ausschau halten sollte. Es muss schon jemand von uns mit dabei sein, der ein bisschen für ihn mitdenkt.«
    Er schwieg und fuhr Nicole liebevoll übers Haar.
    »Kopf hoch! Es wird schon alles gut gehen mit mir. Weitaus mehr Sorge habe ich wegen dir und Bill. Jetzt wo die Jünger Tezcatlipocas von ihren Kumpanen, die wir niedergeschlagen haben, wissen, dass wir im Lande sind… Wenn Sie nun eine größere Suchaktion starten?«
    »Mach dir darüber mal keine Gedanken«, antwortete Bill. »Du kennst doch die Geschichte von dem steckbrieflich gesuchten Schwerverbrecher, der jahrelang unerkannt direkt neben dem Polizeipräsidium gewohnt hat. So ist es auch mit uns hier. Die Kerle kommen nie auf den Gedanken, dass wir ihnen sozusagen zum Greifen nahe sind. Die vermuten uns ganz woanders. Jenseits der Berge oder unten im Tal. Hätten sie sonst vorhin eine Abordnung nach Amecameca in Marsch gesetzt?«
    »Ich hoffe, du hast recht«, sagte Zamorra. »Trotzdem… Wohl ist mir nicht bei dem Gedanken, euch beide hier schutzlos zurückzulassen. Vielleicht sollte ich euch mein Amulett geben.«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage«, protestierte der Amerikaner.
    »Das brauchst du viel nötiger als wir.«
    Und betont rau fuhr er fort: »Nun macht endlich, dass ihr wegkommt. Und dass ihr nicht ohne ein paar Steppdecken zurückkehrt. Ich friere wie ein Papagei am Nordpol.«
    Zamorra erhob sich aus seiner sitzenden Stellung. Der Indianer folgte sofort seinem Beispiel.
    Dunkel und drohend zeichneten sich schräg gegenüber die Umrisse des Pyramidentempels ab. Das Bauwerk wirkte wie ein riesiges Vorzeitungeheuer, das sich zum Sprung duckte.
    Wie viele von Tezcatlipocas Dienern mochten sich noch in seinen Kammern aufhalten? Vorhin, als die Schlächter die Befreiung Pizanas entdeckt hatten, waren mehr als zwanzig auf dem Tempelvorplatz herumgelaufen. Sechs von ihnen waren dann etwas später nach unten in die Stadt abgewandert. Der Rest hatte sich wieder in die Tempelräume zurückgezogen.
    »Ihr seid ja noch immer hier!«, fuhr Bill dazwischen. »Ich sehe schon, dass ich doch noch selber gehen muss.«
    Zamorra lächelte vor sich hin. Der Freund hatte eine nette Art, einem Mut zu machen.
    »Bon«, sagte er. »Zähle bis drei, dann siehst du uns nicht mehr.«
    Es dauerte dann doch noch ein bisschen länger als drei Sekunden.
    Nicole verabschiedete sich von ihm, als würde er in den Dreißigjährigen Krieg ziehen.
    Tizoc Pizana und Bill Fleming blickten dezent zur Seite.
    Der Amerikaner selbst machte es kurz und schmerzlos. »Bis nachher«, sagte er ganz selbstverständlich. »Und dass ihr ja nicht die bestellten Steppdecken vergesst.«
    Aber durch sein burschikoses Gerede konnte er Zamorra nicht täuschen. Der Professor wusste ganz genau, dass er sich ebenfalls große Sorgen machte.
    Er und der

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