Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0068 - Die Geisternacht

0068 - Die Geisternacht

Titel: 0068 - Die Geisternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
Vom Netzwerk:
Indianer brachen auf.
    Pizana hatte sein Jaguarfell dem Professor überlassen.
    »Für einen Macehualli – einen Gemeinfreien aus dem einfachen Volk – geziemt es sich nicht, das Gewand eines herrschenden Priesters zu tragen.« So lautete seine Begründung.
    Als Ersatz hatte er sich aus langen Gräsern einen Lendenschurz angefertigt.
    Da sie die Möglichkeit nicht ausschließen konnten, vom Tempel aus beobachtet zu werden, waren sie in der Anfangsphase ihres Marsches ins Tal besonders vorsichtig. Eng drückten sie sich an den Felsen entlang, so dass sie für etwaige Beobachter mit diesen verschmolzen.
    Der Weg ins Tal befand sich in einem weitaus besseren Zustand, als er es im Jahre 1977 gewesen war. Das Fortkommen war nicht besonders beschwerlich. Allerdings nahm der Pfad einen ganz anderen Verlauf, als ihn Zamorra in Erinnerung hatte. Es ging viel steiler abwärts. Der Grund war vermutlich in der Tatsache zu suchen, dass hier nur Fußgänger entlang kamen, da es Fahrzeuge mit Rädern nicht gab.
    Ziemlich schnell näherten sie sich der Stadt. Diese machte sowohl aus weiterer, als auch aus näherer Entfernung einen befremdlichen Eindruck. Und dies, obgleich Bauweise und Anordnung der Häuser so unterschiedlich von einer modernen Kleinstadt gar nicht war.
    Erst nach einer ganzen Weile kam Zamorra darauf, wieso ihm Amecameca so fremdartig erschien. Er war es gewohnt, Städte auch bei Nacht erleuchtet zu sehen. Straßenlaternen, Leuchtreklamen, Zimmer, aus denen Lampenlicht nach draußen drang… All dies gab es hier nicht. Wie doch die Nichtexistenz von elektrischem Licht die Szenerie so vollkommen veränderte.
    Aber die Dunkelheit hatte natürlich ihr Gutes. Das Beispiel mit den grauen Katzen in der Nacht traf genau ins Schwarze. Problemlos erreichten sie die ersten Häuser. Dann aber wurde es anders.
    Der Professor hatte eigentlich erwartet, eine schlafende Stadt vorzufinden. Dem war aber nicht so.
    Die Stadt war hellwach. Aus vielen Häusern, die sie passierten, drang Stimmengewirr nach draußen. Und auch die ungemein verwinkelten, sehr engen Gassen – wiederum brauchte man auf Fahrzeugverkehr keine Rücksicht zu nehmen – lagen nicht so verlassen und ruhig da, wie er erwartet hatte.
    Je tiefer sie in das Innere der Stadt eindrangen, desto lebhafter wurde es. Viel zu lebhaft für den Geschmack des Professors. Menschen wurden schattenhaft sichtbar. Und immer öfter trafen sie jetzt aufbrennende Fackeln, die die Dunkelheit aufhellten.
    Zamorra fühlte sich ausgesprochen unwohl. Er hatte vorgehabt, in aller Ruhe und möglichst unbelästigt von Stadtbewohnern Studien zu treiben. Als Zielobjekt hatte er den Stadtkern im Auge gehabt, dort wo die höchsten Gebäude standen. Tempel, Paläste der Herrschenden… Hier waren die Chancen am größten, etwaigen Abweichungen von der geschichtlichen Norm auf die Spur zu kommen.
    Wie es aber jetzt aussah, würde es ziemlich schwer werden, unter den gegebenen Umständen diesen Plan in die Tat umzusetzen. Die Gefahr, aufzufallen, wurde immer größer. Vor allem Pizana und seine Kleidung machten sie verdächtig. Sie passte nicht, weder der selbstgebastelte Lendenschurz des Indianers, noch sein Jaguarfell.
    Sämtliche Männer, die ihnen vor Augen gekommen waren, trugen sackähnliche Umhänge in einer nicht klar erkennbaren dunklen Farbe. Und alle trugen einen federartigen Kopfschmuck.
    Eine deutlich spürbare Hektik beherrschte die Stadt. Und das zu einer Zeit, in der man normalerweise tief und fest schlief. In dieser Beziehung unterschieden sich die alten Völker Mittelamerikas ja wohl nicht von ihren Nachkommen.
    Zamorra und Pizana suchten Schutz zwischen zwei dichtstehenden Häusern, hinter deren Wänden keine Betriebsamkeit festzustellen war.
    Der Professor beabsichtigte jetzt, hier eine Weile auszuharren und darauf zu warten, dass sich die allgemeine Unruhe legte. Irgendwann mussten die Leute ja mal ihren Schlafgöttern in die Arme sinken.
    Vorläufig sah es jedoch nicht danach aus. Und langsam aber sicher begann ein ganz bestimmter Verdacht in Zamorra zu keimen.
    Diese einheitlich gewandelten Männer auf den Straßen erinnerten ganz verdammt an eine organisierte Truppe. Soldaten, Polizisten oder etwas in dieser Richtung.
    Und ihre Aktivitäten auf den Straßen… Wenn sie nun jemanden suchten?
    Wenn sie ihn, Bill und den befreiten Pizana suchten?
    Er musste Gewissheit haben.
    »Tizoc«, flüsterte er. »Wie fühlen Sie sich?«
    »Ein bisschen unbehaglich«, antwortete der

Weitere Kostenlose Bücher