0068 - Wir holten sie vom Schiff
sagte sie fragend. »Suchen Sie meinen Mann? Er ist noch nicht zu Hause. Vielleicht muss er Überstunden machen…«
Ich tippte mit dem Zeigefinger an die Hutkrempe.
»Ich suche einen jungen Burschen«, erklärte ich ihr. »Er mag etwa achtzehn Jahre als sein. Er trieb sich meistens hier vor dem Hause herum. Heute Nachmittag scheint er in eine Schlägerei verwickelt worden zu sein, denn er hatte ein ziemlich verschwollenes Gesicht, als ich ihn zufällig sah.«
Ich beschrieb das Aussehen des Burschen, der von Meather und Rander durch die Mangel gedreht worden war. Die Frau nickte schon nach den ersten Sätzen, aber dabei trat ein Ausdruck von Abscheu in ihre Züge.
»Ach, Sie meinen Billy, Billy Masters. Ja, er wohnt hier. Dort über dem Flur, ja, die linke Tür. Ich weiß nicht, ob er zu Hause ist. Es interessiert mich auch nicht.«
Ich merkte, dass sie auf den Kerl nicht, gut zu sprechen war. Eine solche Gelegenheit soll man beim Schopf fassen. Ich zog meinen Dienstausweis.
»FBI«, sagte ich. »Könnte ich mich mit Ihnen ein paar Minuten über diesen Billy unterhalten? Ich hätte gern einiges von ihm erfahren.«
Sie zögerte. Aber die drei Buchstaben FBI hatten sichtlich Eindruck gemacht. Ich wusste nicht, ob die Cops diesen Billy inzwischen wieder nach Hause gebracht hatten. Vielleicht stand er hinter der Tür und lauschte.
»Darf ich eintreten?«, fragte ich.
»Ja, bitte«, stammelte sie verlegen. »Aber ich bin gar nicht auf Besuch eingestellt… wenn Sie vielleicht…«
»Machen Sie meinetwegen nur keine Umstände«, sagte ich und nahm den Hut ab. Sie führte mich in ein Wohnzimmer, das sehr ärmlich, aber sauber eingerichtet war. Ich setzte mich auf ihre Aufforderung hin auf einen Rohrstuhl. Die verhärmte Frau blieb verlegen stehen und nestelte an ihrer Schürze herum.
»Was ist das für ein Kerl, dieser Billy Masters?«, begann ich.
Sie zuckte die schmächtigen Schultern: »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das so sagen kann, Agent…«
»Cotton.«
»Agent Cotton. Billy Masters ist kein guter Junge. Er schlägt die Kinder, die vor dem Haus spielen, und oft völlig grundlos. Er lungert immer nur so herum, und mein Mann sagt, er möchte wissen, womit dieser Strolch eigentlich die hübsche Stange Dollars verdient, die er in den Kneipen durchbringt.«
»Er hat also oft viel Geld?«
»Ja, oft. Aber genauso oft ist er völlig pleite. Er kann nicht einteilen. Er müsste sehr gut leben können bei dem vielen Geld, das er manchmal an einem Abend in den Kneipen hier in der Nachbarschaft durchbringt.«
»Sie haben also nicht den Eindruck, dass er irgendeinen richtigen Job hat?«
»Niemals, Agent Cotton!«
»Wie lange wohnt er hier schon?«
»Seit Herbst vorigen Jahres. Ich weiß es nicht genau, aber es mag Oktober oder November gewesen sein.«
»Und wie lange vermietet Mrs. Vanderland schon an alleinstehende junge Damen?«, fragte ich möglichst harmlos.
»Ach, das tut sie schon seit einer Reihe von Jahren, seit ihr Mann tot ist. Aber früher haben die Mieterinnen nicht so schnell gewechselt. In den letzten Monaten ist es ja der reinste Bienenschwarm. Kaum ist eine eingezogen und hat man sich an das neue Gesicht im Haus gewöhnt, da zieht sie auch schon wieder aus und eine Neue kommt. Aber das eine muss man der Vanderland lassen, sie hat immer nur sehr hübsche Mädchen und alle sehr ordentlich. Man kann nichts gegen die Mädchen sagen, die bei Mrs. Vanderland wohnen. Nicht etwa, dass Sie denken…«
Ich schüttelte belustigt den Kopf.
»Keine Sorge«, sagte ich. »Solche Gedanken liegen uns ziemlich fern. Wir haben gewöhnlich andere Sorgen. Vielen Dank, liebe Frau. Auf Wiedersehen. Ich will Sie nicht länger auf halten.«
Ich ging hinaus. Wieder hatte ich ein kleines Steinchen gefunden, das in mein Mosaik hineinpasste.
An der gegenüberliegenden Tür klopfte ich kurz. Ein unterdrücktes Stöhnen war dahinter zu hören, dann brummte eine weinerliche Stimme: »Wer ist da?«
»Cotton vom FBI. Ich habe Sie heute Nachmittag mit meinem Freund von zwei unliebsamen Gestalten befreit, scheint mir. Ich muss Sie in dieser Angelegenheit noch einmal sprechen.«
Jemand stöhnte wieder, dann waren schlurfende Schritte zu vernehmen, und schließlich klirrte eine Sicherungskette.
Die Tür ging auf.
»Kommen Sie rein, G-man!«, forderte er mich auf. »Setzen Sie sich dort in den Sessel! Fegen Sie den Dreck raus, der drin liegt!«
Er deutete in seiner schlampigen Bude auf einen Sessel, dessen Sitzfläche mit
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