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0069 - Das Gericht der Toten

0069 - Das Gericht der Toten

Titel: 0069 - Das Gericht der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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aufforderte, abzulassen von seinem wahnsinnigen Tun.
    Kaum hatte sich Madhvakrishna richtig auf diese fremde, unirdische Gedankenstimme eingestellt, als noch eine zweite Stimme in seinem Geist hörbar wurde. Diese zweite Stimme war viel lauter als die erste, übertönte diese bei weitem, brachte sie schließlich ganz zum Schweigen.
    »Lasse nicht ab in deinen Bemühungen, oh großer Magier«, hörte er. »Fahre fort und es wird dir gelingen, den Bann der Ruchlosen ganz zu brechen.«
    »Wer bist du?« formulierte Madhvakrishna in Gedanken.
    »Ich bin der Kaa des großen Neferptah, des gewaltigsten Magiers aller Zeiten. Hilf mir, mein Gefängnis zu verlassen und ich werde dich belohnen, wie es sich eines Pharaos geziemt.«
    Der Guru drückte seine Zweifel aus.
    »Wenn du so gewaltig bist, wie kommt es dann, daß du in Gefangenschaft gerietest?«
    »Die ruchlosen Priester des Amon nutzten täuschend mein Vertrauen, betäubten mich mit Gift und schlugen meinen hilflosen Körper in ihren Bann. Nun aber, wenn du mir hilfst, ist die Stunde der Befreiung und der Rache nahe.«
    Madhvakrishnas Geschäftssinn, der ihn niemals verließ, meldete sich zu Wort.
    »Und was habe ich davon, wenn ich dir helfe?« erkundigte er sich.
    »Hörtest du nicht meine Worte? Deine Belohnung wird wahrhaft fürstlich sein!«
    »Du willst mich täuschen, Neferptah. Ich weiß sehr wohl, daß ein Kaa nicht unmittelbar einwirken kann auf die diesseitige Welt.«
    »Wahr gesprochen«, gab Neferptah ihm recht. »Wohl aber ist einem Kaa deine Welt ein offenes Buch, in dem er überall und zu jeder Zeit zu lesen versteht. Stets könnte ich dir sagen, was zu wissen du begehrst.«
    Madhvakrishna brauchte nicht lange, um die unschätzbaren Vorteile eines solchen Handels erkennen zu können. Das Wissen der ganzen Welt würde vor seinen Füßen liegen. Und Wissen war Macht, die größte Macht, die es geben konnte. Nur eine brennende Frage erhob sich noch: Konnte er dem Pharaomagier Glauben schenken? Würde dieser wirklich bereit sein, ihn zu unterstützen? Oder würde er ihn ganz einfach vergessen, sobald sein Kaa die Freiheit erlangt hatte?
    Er stellte Neferptah die große Frage.
    Dieser antwortete mit einem Schwur: »Beim Falken des Horus, bei der Krone des Osiris – ich werde mein Versprechen einlösen!«
    Die Stimme verstummte, und Madhvakrishna schickte erneut die Speerspitzen seiner Gedankenströme gegen das magische Feld, das den Sarkophag bald nur noch wie ein löchriger Lichtmantel umgab.
    Und die Löcher, die sein Geist in die Ummantelung hineinriß, wurden immer größer. Immer seltener verloschen die züngelnden blauen Flammen, die sich wie Meißel in den Schutzschirm hineinfraßen.
    Dann war es geschafft. Das zuletzt kaum noch wahrnehmbare Flimmern verging wie Glut im Sturmwind. Ein Donnerschlag ertönte, der die Grundmauern von Seymours Museum erschütterte. Putz rieselte von den Wänden, und in einer Mauer entstand ein breiter Riß, der sich von der Decke bis zum Boden hinzog. Mehrere Kulturobjekte stürzten aus den Regalen. Vasen und andere Gefäße zersprangen. Eine Apollofigur aus Kleinasien barst in drei Teile.
    Ein gellendes Lachen ertönte, so als hätten tausend Teufel gleichzeitig einen Heiterkeitsausbruch. Und dieses Lachen war nicht nur in den Gedanken des Guru. Es hallte durch den Raum, war auch für Robert T. Seymour deutlich vernehmbar.
    Madhvakrishna erwachte aus seiner selbstauferlegten Trance.
    Blutfluß und Herzschlag normalisierten sich wieder, und die Totenstarre seines Körpers wich pulsierendem Leben.
    Der Millionär war wachsbleich im Gesicht und zitterte am ganzen Körper. Für ihn mußte all das, was sich in den letzten Minuten abgespielt hatte, ein echter Schock gewesen sein. Unheimliche Lichterscheinungen, rollender Donner, die teilweise Zerstörung seines Museums…
    »Mein Gott, Mr. Madhvakrishna«, stammelte er verstört. »Wenn ich gewußt hätte… Hören Sie auf! Hören Sie um Gottes willen auf mit Ihren Teufelskünsten!«
    Der Guru erlaubte sich ein überlegenes Lächeln.
    »Ich habe aufgehört, Mr. Seymour«, sagte er. »Meine Arbeit ist beendet, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir jetzt mein Honorar auszahlen würden, damit ich meiner Wege gehen kann.«
    Seymour sah ihn mit großen Augen an. »Sie meinen, Sie haben…«
    »Sehen Sie selbst nach, Mr. Seymour. Sie werden den Sarkophag jetzt öffnen können.«
    Zweifel drückten sich im Gesicht des Industriellen aus, Zweifel, die aber dahinzuschwinden

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