0069 - Das Gericht der Toten
hochrütteln, ehe er so weit war.
Der Polizist schloß die Zellentür hinter ihnen wieder sorgsam zu und brachte sie dann in den Revierraum.
»Sie sind frei, meine Herren«, erklärte ihnen der Inspektor, der sie Stunden zuvor festgenommen hatte, und händigte ihnen den vorhin konfiszierten Tascheninhalt wieder aus.
Die Frage, wem sie ihre wiedergewonnene Freiheit zu verdanken hatten, erübrigte sich.
Der Anblick Nicole Duvals und Robert T. Seymours war Antwort genug.
***
Noch ein anderer wurde in dieser Nacht aus dem Schlaf gerissen, in den er endlich gesunken war: Madhvakrishna.
Von Seymours Villa aus war er sofort ins Hilton zurückgekehrt, hatte den willigen Teenager aus seinem Bett hinauskomplimentiert und war schließlich eingeschlafen.
Großartige Träume hatten ihn in Empfang genommen. Träume voller Glanz und Glorie. Madhvakrishna, der Große. Madhvakrishna, der Herr der Welt, der König über alle Menschen.
Dann, ganz übergangslos, war die bunte Traumwelt gewichen. Etwas Fremdes, das seinen Ursprung nicht in seinem eigenen Unterbewußtsein hatte, drängte sich in seinen Geist.
Neferptah.
»Ich bin gekommen, um mein Versprechen einzulösen«, hörte er die Gedankenstimme des Kaa.
Der Guru war sofort voll konzentriert.
»Ich höre!«
»Gefahr droht dir, mein Befreier.«
»Gefahr?«
»Meine ruchlosen Feinde haben Hilfstruppen auf deiner Ebene um sich geschart, die darauf aus sind, dich zu verderben.«
»Wer?« fragte Madhvakrishna. »Nenne mir die Namen!«
»Ein Magier, den sie ›den mit dem Silberglanz‹ nennen. Zamorra.«
»Zamorra!«
»So lautet sein Name. Sei auf der Hut!«
Furcht beschlich den Mann aus Indien. Er hatte genug über Zamorra gehört, um zu wissen, daß der Meister des Übersinnlichen einen starken Gegner abgeben würde. Einen Gegner, dem er möglicherweise nicht gewachsen war.
»Ich brauche Hilfe, Neferptah«, forderte er. »Hilf mir, gewähre mir Unterstützung!«
»Du weißt, daß ich nicht körperlich auf deine Welt einwirken kann.«
»Du kannst mir raten, kannst mir die Geheimnisse deiner Magie anvertrauen.«
Sekundenlang glaubte Madhvakrishna, daß sich der Kaa des Pharao auf die unfeine französische Art entfernt hatte. Dann aber erkannte er, daß dem doch nicht so war.
»Du verlangst viel, Magier«, machte sich die Stimme wieder bemerkbar.
»Bedenke, daß ich dir die Freiheit zurückgegeben habe!«
Wieder ein sekundenlanges Zögern, dann die Antwort.
»Es sei! Ich werde dir helfen.«
Die Befriedigung machte sich in Madhvakrishna breit wie ein armer Regen in der Öde.
***
»Was genau wollen wir eigentlich von ihm«, fragte Nicole.
Zusammen mit dem Professor saß sie in Bills Chevrolet, den Zamorra gerade genau gegenüber dem Hilton an den Straßenrand lenkte.
»Zuerst einmal wollen wir nur ganz ruhig mit ihm sprechen«, antwortete der Parapsychologe. »Ganz ruhig, von Metaphysiker zu Metaphysiker sozusagen. Deshalb habe ich es auch für besser gehalten, Bill nicht mitzunehmen.«
»Und du glaubst, er spricht wirklich offen mit dir?«
»Offen? Das wage ich zu bezweifeln. In jedem Fall hat er sich vorhin während meines Telefonats mit ihm zu einer Aussprache bereit erklärt. Er konnte ja auch kaum nein sagen, nachdem Seymour inzwischen seinen Fehler eingesehen und uns Einzelheiten über Madhvakrishnas Zauberkunststückchen erzählt hat.«
»Und dann?« setzte Nicole nach.
»Wird sich alles zeigen«, sagte Zamorra und zog den Zündschlüssel ab. »In jedem Fall habe ich die moralische Verpflichtung, festzustellen, ob der Guru zukünftig eine allgemeine Gefahr darstellt oder nicht. Ich holte, daß mir mein Amulett bei der Wahrheitsfindung helfen wird.«
Die beiden verließen das Fahrzeug und betraten das Hotel. Sie gingen zur Rezeption hinüber, an der trotz der morgendlichen Stunde ein ausgesprochen reger Gästeverkehr herrschte.
Einer der Bediensteten wandte sich Ihnen zu.
»Sir? Madam?«
»Wir möchten zu Mr. Madhvakrishna«, sagte der Professor.
»Sind Sie Mr. Zamorra?«
»Ja!«
»Mr. Madhvakrishna erwartet Sie bereits. An der kleinen Bar.«
Der Rezeptionist winkte einen Pagen heran und gab ihm den Auftrag, die Herrschaften in die Bar zu geleiten.
Im Gegensatz zur Hotelhalle war die Bar nicht gut gefüllt. Aber auch im größten Gedränge wäre der Guru ganz sicherlich aufgefallen. Dafür sorgte nicht zuletzt seine Landestracht, die er mit großer Selbstverständlichkeit trug.
Madhvakrishna war ein hochgewachsener Mann mit schmalem,
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