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0069 - Das Gericht der Toten

0069 - Das Gericht der Toten

Titel: 0069 - Das Gericht der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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Nicoles rechten Arm zu fassen und versuchte, sie an sich heranzuziehen. Aber das Mädchen bewies ungeahnte Kräfte. Es gelang ihr, sich loszureißen. Gleichzeitig wirbelte sie herum, richtete ihre irrleuchtenden Augen auf den Professor. Ganz offensichtlich erkannte sie ihn nicht, denn jetzt machte sie ihn zum Zielobjekt ihrer Raserei. Ehe sich es Zamorra versah, schoß ihre gekrümmte Hand vor und traf ihn im Gesicht. Er spürte wie seine Wange aufgerissen wurde und das Blut hervortrat.
    Nicole, Nicole, dachte er, was ist nur mit dir geschehen.
    Dieser Aktion mußte jetzt ein Ende bereitet werden. Schon hatte sich die halbe Bar mit Menschen gefüllt. Hotelgäste und Angestellte, durch das Geschrei und die Geräusche des Handgemenges angelockt, standen herum und ließen das ungewöhnliche Schauspiel auf sich einwirken.
    Zamorra machte jetzt Ernst, auch auf die Gefahr hin, daß er Nicole weh tun mußte. Als sie wieder katzenartig nach ihm schlagen wollte, fing er ihren Arm ab. Und diesmal hielt er ihn so fest, daß sie sich nicht wieder befreien konnte. Sie tobte, heulte und spuckte wie eine Furie. Beschimpfungen kamen aus ihrem Mund, die sie normalerweise nicht einmal gedacht hätte.
    Ein Mann drängte sich durch die Gruppe der Gaffer. Er war mittelgroß und hatte ein ovales, intelligentes Gesicht. Der Mann trug ein kleines, schwarzes Köfferchen bei sich, das er jetzt öffnete.
    »Ich bin Arzt«, sagte er zu Zamorra. Eine Injektionsspritze blinkte in seiner Hand.
    Der Professor wollte zuerst protestieren, sah dann aber sofort ein, daß der Mann wohl recht hatte. Wie es aussah, war Nicole wirklich nur mit einer Beruhigungsspritze zu bändigen. Zamorra nickte dem Arzt zu.
    Dieser war ein sehr geschickter Mann, der sein Handwerk verstand. Obgleich sich Nicole wand wie ein Schlange und mehrere Versuche unternahm, nach ihm zu treten, schaffte er es, seine Spritze ihrer Ellenbeuge zu nähern und blitzschnell zuzustoßen.
    Sekunden später trat die Wirkung ein. Nicoles Gegenwehr wurde schwächer, hörte dann ganz auf. Schlaff brach sie in den Armen des Parapsychologen zusammen. Eine gnädige Ohnmacht hatte Besitz von ihr ergriffen.
    Erst jetzt wurde Zamorra der Lärm richtig bewußt, der mittlerweile in dem kleinen Barraum herrschte. Alle Anwesenden redeten wild durcheinander, stellten Vermutungen und Spekulationen an, von denen eine im Grunde genommen so falsch wie die andere war.
    Es dauerte eine Weile, bis das Kulissengeschwätz abebbte. Und noch länger dauerte es, bis es dem Hotelmanagement gelungen war, den Barraum von allen Unbeteiligten zu befreien. Nur ein paar Angestellte, der Arzt, Zamorra und natürlich Nicole blieben zurück.
    Auch Madhvakrishna war nicht mehr zu sehen.
    Der Professor und der Arzt, der sich als Doktor Murphy vorgestellt hatte, hatten Nicole inzwischen auf eine schmale Sitzbank gebettet. Murphy untersuchte sie, so weit das unter den obwaltenden Umständen möglich war.
    »Organisch ist sie völlig in Ordnung«, diagnostizierte er. »Nach alle dem, was ich so mitbekommen habe, würde ich sagen, daß sie eine Art hysterischen Anfall bekommen hat. Wenn die Wirkung der Betäubungsspritze nachläßt, ist sie vielleicht schon wieder ganz normal.«
    Liebend gern hätte Zamorra geglaubt, was der Mann sagte. Aber er konnte es nicht. Jetzt, wo er fast wieder ungestört überlegen konnte, wurde ihm manches klar.
    Madhvakrishna hatte es auf irgendeine Weise fertiggebracht, eine magische Attacke zu führen. Ihn hatte das Amulett geschützt. Nicole jedoch war von dem faulen Zauber voll getroffen worden. Nur dies war eine logische Erklärung für ihr wahnwitziges Verhalten.
    Grübelnd saß der Professor am Tisch.
    Wie hatte es der Inder gemacht? Er war sich ganz sicher, daß Madhvakrishna keine Beschwörungsformeln gesprochen hatte, keine magischen Gesten vollführt hatte.
    Aber in dieser Beziehung irrte er.
    Es fiel ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen, als der Kellner mit einem Lappen an den Tisch trat, um den vorhin von dem Guru verschütteten Tomatensaft aufzuwischen. Automatisch folgte Zamorras Blick der Hand des Mannes, als diese über die Tischplatte glitt. Nur ein Rest der roten Flüssigkeit war noch vorhanden.
    Von einer Pfütze konnte keine Rede mehr sein. Madhvakrishnas malender Finger hatte den Saft verteilt. Planmäßig, ganz planmäßig.
    Er hatte die magische Formel nicht gesprochen, sondern vor ihren Augen auf den Tisch geschrieben. Die inzwischen ziemlich auseinandergelaufenen Umrisse

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