007 - Stadt der Illusionen
der Ahnen anschlossen, wenn sie nicht vorher gegen die Regeln der Gemeinschaft verstoßen hatten und damit zu Namenlosen geworden waren.
Der Triten-Clan war eine der ältesten Familien in der Höhlenstadt; hunderte von Vorvätern mussten hier ruhen.
Zeta kam auf die Füße und erkannte erst jetzt, dass diese Etage von irgendeiner Illumination erhellt wurde, einem diffusen Licht, das in Bodennähe am kräftigsten schien. Zeta fand sich zwischen Dutzenden sich nach oben verjüngenden Säulen wieder, die über ihr die Decke, wenn nicht sogar den ganzen Rundbau, zu tragen schienen. Nur zu ihren Füßen zeichneten sich die Umrisse der Säulen scharf gegen die Beleuchtung ab und zeigten Konturen gewaltiger Gesichter, deren Ausmaße Zetas Körpergröße bei weitem übertrafen, obwohl sie keineswegs klein gewachsen war. Dabei erstreckten sich die in den Stein gemeißelten Gesichtszüge nur über ein Drittel der Säulenlängen.
Zeta war es gewohnt, die Zimmerdecke ein oder zwei Handbreit über dem Kopf zu finden; hier verlor sie sich jedoch im verwaschenen Dunkel, aus dem ihr unablässig Schatten aus Licht und Schwärze zuzuwinken schienen. Sie legte den Kopf in den Nacken, ohne jedoch etwas erkennen zu können. Zitternd lehnte sie sich gegen eins der Gesichtsreliefs.
Ihr Blick glitt die steinernen Zeugen einer längst vergessenen Vergangenheit entlang. Sie wirkten mit ihren geschlechtslosen Antlitzen und den unbarmherzigen Gesichtszügen eigentümlich zeitlos.
Sie fuhr zusammen. War dort vorn nicht eine kleine Gestalt aufgetaucht, nur um sich sofort wieder in der Hallenmitte zu verlieren?
Langsam tastete sich Zeta vor, setzte Fuß vor Fuß, Schritt für Schritt, während die angstvolle Erwartung in ihr wuchs, dass sich ihr steinerne Augen zuwandten, um sie mitleidlos anzustarren. Hatte sie nicht die Strafe der über sie herfallenden Ahnengeister zu erwarten? Ersehnte sie sich deren Rache nicht geradezu, eine berechtigte Rache bei ihrem unglaublichen Frevel, die Gesetze des Clans und die Ruhe der Toten zu verletzen?
Doch nichts geschah. Unbehelligt erreichte sie die Quelle des matten Lichts, ein mannbreites und doppelt so langes Oval im Boden. Einkerbungen verrieten ihr, dass sich auch an dieser Stelle ein Eisengitter befunden haben musste. Es war jedoch längst zu rostigem Staub zerfallen.
Vorsichtig sah Zeta über den Rand. Alles mögliche erwartete sie dort unten, nicht jedoch einen weiteren Keller zwei Körperlängen unter ihr. Er war mit unregelmäßig geformten, aber stets abgerundeten Steinen gefüllt.
Sie legte sich auf den Boden und schob den Kopf noch weiter vor. Als sie sich am Rand der Öffnung festklammerte, verfingen sich ihre Hände mit einem schmierigen Quellgrasnetz, das unter dem Oval befestigt war. Trotz seines Alters saß es fest.
Einen Moment zögerte die Clansträgerin, dann schwang sie die Füße über den Rand und suchte nach festem Halt, um langsam die provisorische Leiter hinabzuklettern.
Das da unten muss zu einem niedrigen Höhlensystem gehören , überlegte Zeta, das sich unter der gesamten Stadt und noch weit darüber hinaus zu erstrecken scheint.
Es mündete in die umliegenden Täler außerhalb des Bergmassivs ein, denn von allen Seiten fiel Tageslicht herein, das ausreichte, auch die darüber liegende Etage zu erhellen.
Es war kühl und zugig; von hier drang auch die Luft in die Stadthöhle ein. Die Bahn aus kleineren Steinen führte in langen Bögen und Schleifen durch das Säulenlabyrinth und wurde begrenzt von sich verjüngenden Felsplatten und bizarren Steinbrocken.
Als die Clansfrau erkannte, dass hier einmal Wasser geflossen sein musste, ahnte sie, wo sie sich befand. Unangenehme Erinnerungen stiegen in ihr empor, Erinnerungen an Berra und ihre Erzählungen von vergangenen Zeiten, in denen die Toten auf Quellgrasflößen auf einem reißenden Fluss dahin trieben, bis sie in den Augen der Ahnenwächter Gnade fanden. Bis dahin aber mussten sie mit dem wilden Leben aus den Tiefen des Flusses kämpfen, mit den fleischgewordenen Verfehlungen ihrer Existenz. Erst wenn die Toten ihrer Herr wurden, waren sie geläutert und wurden in den Rat der Vorväter aufgenommen.
Gab es noch immer Leben zwischen den Steinen? Zeta glaubte, Augen in den Schatten zu erspähen, die jede ihrer Bewegungen verfolgten, Augen in vielleicht sperrigen Schädeln voller Reißzähne, womöglich mit scharfen Schuppenklauen an krumm gebogenen Körpern, hechelnd und gierig lauernd.
Dann griff etwas nach ihr,
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