0070 - Die Brücke ins Jenseits
Krankenhelfer warf Neidhard einen mißtrauischen Blick zu.
»Ich hab’s immer schon geahnt, daß sie dich als Kind zu heiß gebadet haben. Jetzt kann ich’s ganz deutlich erkennen.«
»Sie sind über mich hergefallen, als ich in die Leichenkammer trat!« schrie Neidhard aufgeregt. »Da!« keuchte er. Und er wandte den Kopf, damit der Krankenhelfer seine blutige Gesichtshälfte sehen konnte.
»Herrje!« stieß Brand erschrocken hervor. »Türken haben das getan?«
»Ja.«
»In Pluderhosen und mit einem Turban?«
»Ja.«
»Das glaubt dir kein Mensch!« Brand schüttelte heftig den Kopf.
»Nicht einmal dann, wenn es wahr ist.«
***
Sie verständigten trotzdem sofort die Polizei. Auch da dachte man zuerst an einen Scherz. Schließlich sagte man aber zu, sogleich eine Funkstreife zum Allgemeinen Krankenhaus zu schicken. Die Türken waren noch auf dem Krankenhausgelände, als die Funkstreife dort eintraf. Mehmet und Ahmet versuchten sich mehrmals zu verstecken, aber man entdeckte sie immer wieder. Das gesamte Krankenhauspersonal befand sich in Alarmbereitschaft. Die seltsamen Männer in Pluderhosen mußten sich angesichts der gezogenen und entsicherten Polizeiwaffen ergeben. Weder Ahmet noch Mehmet sprachen ein Wort. Die Polizisten nahmen die Türken in ihre Mitte, um sie zum Funkstreifenwagen zu bringen. Mittlerweile hatte sich um das Blaulicht-Fahrzeug eine riesige Menschentraube gebildet. Die Leute lachten über die Kleidung der beiden Türken. Mehmet warf mit giftigen Blicken um sich.
»Die Gurgel könnte ich ihnen allen durchschneiden!« fauchte er gereizt.
Ahmet stieß ihn an. »Schweig! Sie werden ihre Strafe bekommen!«
Ein Stadtrundfahrtbus kam an. Das große Fahrzeug konnte wegen des Menschenauflaufes nicht weiterfahren. Der Fahrer begann ärgerlich zu hupen.
»Jetzt lachen sie noch über uns!« knurrte Mehmet hitzig. »Aber bald werden sie tot sein.«
Er sprach jenes alte türkisch, das die beiden Wiener Polizisten nicht verstehen konnten. Er hätte sich jedoch auch in ihrer Sprache mit den Beamten unterhalten können. Omar Nemsi hatte die Mächte des Bösen darum gebeten, seine Diener mit dieser Fähigkeit auszustatten.
»Wie sie hier alle stehen… Tot werden sie sein. Schon in wenigen Tagen!«
***
»Aus’m Wurstelprater kommen die!« rief eine Frau lachend.
»Ach was. Die drehen da einen Film. Und wir sind die Statisten!« grölte ein Mann. »Wieder so ein blöder Experimentalstreifen, den sie uns dann am Samstagabend im Hauptabendprogramm zumuten!«
»Wo ist die Kamera?« rief ein schäbig gekleideter junger Mann.
»Ich möchte Winken, damit mich meine Verwandten alle gleich sehen.«
Zamorra legte unwillkürlich seine Hand auf die Brust. Nicole Duval bemerkte die kummervolle Miene des Professors und fragte:
»Was ist los mit dir, Chef? Was hast du? Was bedrückt dich?«
Zamorra befühlte sein silbernes Amulett, das warnende Impulse in seinen Körper sandte.
»Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu!« behauptete der Parapsychologe. »Das sind keine harmlosen Narren! Das sind Abgesandte des Bösen!«
»Im Ernst?« fragte Bill Fleming verwirrt.
»Ich muß ganz dicht an sie ran«, sagte Professor Zamorra hastig.
Dann schaufelte er sich mit kräftigen Armbewegungen auf die beiden Türken zu. Die Polizisten hatten mit den bunt Gekleideten schon fast den Funkstreifenwagen erreicht. Fünf Meter hatte Zamorra noch zurückzulegen.
»Herrgott, so stoßen Sie doch nicht so!« maulte eine Frau. »Wir wollen alle was sehen.«
Zamorra nahm keine Rücksicht auf die Leute. Hier war etwas Übles im Gange. Er mußte auf der Stelle herausfinden, was es war. Vier Meter noch. Nicole Duval und Bill Fleming blieben dicht hinter dem Professor. Drei Meter. Mit einemmal schien Zamorras Amulett zu glühen. Es fühlte sich schmerzhaft auf seiner Haut an. Kein Zweifel.
Jene Türken waren keine verkleideten Spaßvögel. Das waren Untertanen eines Dämons. Handlanger des Teufels. Zamorra mußte unbedingt alles über sie erfahren: Woher sie kamen. Wem sie dienten.
Was sie hier zu suchen hatten.
Zwei Meter…
Die Polizisten erreichten in diesem Augenblick den Funkstreifenwagen.
Niemand außer Professor Zamorra sah, was in derselben Sekunde geschehen sollte. Seine Kopfhaut zog sich zusammen. Mehmets Hand war blitzschnell zum Gürtel gefahren. Jetzt riß er den Dolch heraus.
»Vorsicht!« brüllte Zamorra, so laut er könnte. Aber sein Warnruf vermochte nichts mehr zu verhindern. Es passierte in
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