0071 - Knochensaat
Arm.
Den warnenden Blick des Wirts sahen sie nicht, als sie das Lokal verließen.
***
Karin Becker und Will Mallmann verließen das Gasthaus und wandten sich nach rechts. Die Stühle waren hochgestellt worden. Man hatte sie aber nicht weggeräumt. Laut Wetterbericht sollte der morgige Tag sonnig werden. Will hatte nichts dagegen und Karin auch nicht. Wie selbstverständlich fanden sich ihre Hände, und Will spürte den warmen Strom, der ihn plötzlich durchfloß. Sie schritten unter der Eiche her, passierten den Parkplatz und erreichten den schmalen Weg, der hinter dem Gasthaus begann und direkt in den Wald führte, so daß sie nicht erst den Ort durchqueren mußten.
Die Dämmerung hatte schon eingesetzt. Im Westen glühte der Himmel noch unter den letzten Sonnenstrahlen, während sich aus der entgegengesetzten Richtung das graue Band der Dunkelheit näherte und die Nacht den Tag ablöste. Noch lärmten die Vögel in den Bäumen, doch bald würden auch sie verstummen und sich zur Ruhe begeben. Der Weg führte schon nach wenigen Metern bergauf. Zwar nicht sehr steil, aber unaufhörlich.
Schon bald umgab dichter Wald die beiden Menschen. Hier war die Welt noch in Ordnung. Mischbäume bestimmten die Vegetation, nicht nur Tannen und Fichtenschonungen. Hier brauchte man nicht aufzuforsten, weil niemand etwas zerstört hatte.
Der Bayerische Wald hatte hier noch die Urwüchsigkeit der Jahrhunderte.
Will Mallmann und Karin Becker sprachen nicht viel miteinander. Jeder genoß die Ruhe der sie umgebenden Natur. Humus dämpfte ihre Schritte fast bis zur Geräuschlosigkeit, niemand kam ihnen entgegen, und auch der Kommissar spürte die Ruhe, die sich plötzlich in seinem Innern ausbreitete.
Der Weg machte eine Biegung und führte immer tiefer in den Wald hinein. Auch nahm die Dämmerung zu, so daß die einzelnen freien Flächen zwischen den Bäumen manchmal zu einem dichten Grau verwischten.
Karin Becker blieb plötzlich stehen. Eine Haarlocke war ihr in die Stirn gefallen. Sie schob sie zurück und fragte: »Wie lange dauert es eigentlich noch, bis wir diesen komischen Felsen erreicht haben?«
Will Mallmann hob die Schultern. »Das kann ich dir auch nicht sagen. Die Leute haben…« Er verstummte plötzlich, weil ihm eingefallen war, daß er Karin Becker soeben geduzt hatte. »Entschuldigen Sie, Karin, ich meine natürlich…«
»Warum lassen wir es nicht beim Du?« fragte sie, und ihre Stimme zitterte ein wenig. Will schluckte. »Sie meinen – du meinst…?« Karin nickte.
Tief holte der Kommissar Atem. Er, der sich schon mit hartgesottenen Gangstern und Verbrechern herumgeschlagen hatte, war plötzlich nervös wie ein Schuljunge kurz vor den Zeugnissen. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Da reagierte Karin Becker schon energischer. Sie trat auf Will Mallmann zu und umfaßte beide Hände. »Okay, Will?« Mallmann nickte.
Sie wußten beide, was jetzt folgen würde. Und beide hatten lange darauf gewartet, doch niemand hatte laut davon gesprochen. Als Will Mallmann seine Lippen auf Karin Beckers Mund preßte, vermeinte er, die Welt um ihn herum würde versinken.
Wie lange er Karin küßte, wußte er selbst nicht zu sagen.
Schließlich drückte die Lehrerin den Kommissar von sich weg. »Himmel«, sagte sie, »jetzt muß ich erst einmal Luft holen.«
»Entschuldigung, aber…«
Karin lachte. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Schließlich hast du ebenso darauf gewartet wie ich.«
Will nickte heftig. »Dann«, er holte tief Luft, »dann bin ich dir also auch nicht gleichgültig?«
»Nein.« In Karins Augen erkannte Will, wie ehrlich die Antwort gemeint war.
Sie gingen weiter. Diesmal hatte Will Mallmann einen Arm um die Schultern der Lehrerin gelegt. Sie sprachen von der Zukunft und der Vergangenheit.
Und Will erzählte ihr von seinem Beruf. Bis jetzt hatte Karin nicht gewußt, womit er sein Geld verdiente.
»Du bist Kommissar?« fragte sie.
»Ja.«
»Mein Gott, Will, ist das nicht gefährlich?«
Mallmann lächelte. »Man gewöhnt sich daran.«
»Würde mir nie gelingen.«
Jetzt ging Mallmann aufs Ganze. »Und wenn du meine Frau bist?«
Karin blieb stehen. Sie drehte den Kopf und sah Will Mallmann ins Gesicht. »Meinst du das im Ernst?«
»Ja.«
Sie senkte den Blick und schaute auf ihre Fußspitzen.
Zwischen den beiden entstand eine Schweigepause. Nur das Rascheln des Abendwindes war zu hören, als er durch die Bäume strich.
Dann holte Karin tief Luft und fragte: »Du möchtest eine
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