0071 - Mit der letzten Kugel
andres übrig blieb.
Goliath huschte auf leisen Sohlen zur Tür. Er musste dicht an ihnen vorüber. Ich glaubte, dass der Riese sich jetzt absetzen wollte. Schlimmstenfalls hatten wir damit gerechnet, dass er den beiden Zunftgenossen vielleicht eine mittelschwere Schlafwagenkarte auf dem Hinterkopf kleben würde.
Es kam genau anders.
Als er etwa zwei Drittel des Weges bis zur Tür zurückgelegt hatte, befand er sich den beiden anderen Einbrechern am nächsten. Sie standen mit erhobenen Händen gehorsam still und zeigten ihm den Rücken.
Und plötzlich ging alles sehr schnell. Goliath schoss vor, riss die Hand hoch und setzte die Pistolenmündung in Racks Genick. Er zog durch und jagte sofort zwei Schüsse in Slims Rücken.
Als ich meine Pistole gezogen hatte und hinter den dichten Vorhängen hervor war, hatte sich Goliath längst abgesetzt. Der Riese konnte verdammt schnell sein, wie wir gerade gesehen hatten.
Al wollte zur Tür. Ich winkte ihn zurück.
»Der ist längst draußen! Und außerdem entgeht er uns nicht. Bei den Körpermaßen kann er sich gar nicht erfolgreich verändern.«
Al kam zurück. Ich kniete neben Slim. Er hatte zwei Einschüsse, die vorn wieder ausgedrungen waren. Es sah verdammt schauderhaft aus.
»Ruf die Stadtpolizei, Al«, sagte ich. »Einen Arzt, ein paar uniformierte Cops und vier oder fünf Detectives von der Kriminalabteilung der Stadtpolizei in Zivil.«
Al stand schon am Telefon und wählte.
»Warum soviel Leute?«, fragte er. »Hier ist doch alles eindeutig!«
»Wenn fünf Zivilisten das Haus betreten, wird es nicht auffallen, wenn es sechs wieder verlassen«, sagte ich. »Dadurch bleibt mir die Wiederholung der Kletterpartie erspart.«
»Raffinierter Kerl«, grinste Al anerkennend.
Ich bemühte mich um Slim. Aber da gab es nicht viel zu bemühen. Er war bei Bewusstsein, aber das Blut lief ihm in kräftigen Strömen aus den beiden aufgefetzten Austrittslöchern. Die Wunden waren so groß, dass es überhaupt keinen Sinn hatte, sie verstopfen zu wollen.
»Slim!«, rief ich ihn an. »Wer ist Goliath? Wie heißt er wirklich?«
Slim bewegte die Lippen. Ich hatte eine Mordswut. Sie waren wehrlos gewesen, ahnungslos, denn sie standen mit dem Rücken zu Goliath. Der hatte zwei wehrlose Menschen von hinten abgeknallt wie zwei tollwütige Hunde.
»Slim!«, wiederholte ich eindringlich. »Wo wohnt er?«
»… 182. Straße…«, keuchte Slim, während Blut über seine Lippen trat. Er sagte noch etwas, aber es war nur ein ersticktes Gurgeln, dann lief eine krampfartige Zuckung durch seinen Körper, gleich darauf streckten sich seine Muskeln und der Kopf sackte mir weg.
Ich stand auf und wischte mir das Blut von den Fingern.
Langsam sagte ich: »Okay, Al. Den Doc brauchen wir nicht mehr.«
***
Ich ließ absichtlich knapp zwei Stunden verstreichen, nachdem ich mit dem bestellten Aufgebot der Stadtpolizei abgerückt war. Die Cops hatten mich unterwegs abgesetzt und ich war mit einem Taxi zum Astoria zurückgefahren.
Phil saß übernächtigt vor einer Tasse Kaffee. Es war halb vier, als ich bei ihm eintrudelte, und kurz vor fünf ging ich wieder. In der Zwischenzeit hatte ich ihm vom Ergebnis meiner Besprechung mit Harway berichtet. Harway war kurze Zeit nach der Ermordung der beiden Einbrecher wieder zu sich gekommen und hatte sich stöhnend seinen Kopf gehalten.
Al war verabredungsgemäß im Haus zurückgeblieben, und die vom Schuss aufgeschreckte Josefine hatte mein Versprechen, dass sie ein Autogramm von mir bekäme, wenn sie bis zur Erledigung des Falles keinem Menschen auch nur ein Sterbenswörtchen davon erzählte, dass sie mich im Haus der Harways gesehen hatte. Sie versprach es bei allem, was ihr heilig war.
»Warum überlässt du es nicht den Cops von der Stadtpolizei, sich diesen Goliath zu holen?«, fragte Phil. »Du könntest zwei Stunden schlafen.«
Ich schüttelte den Kopf, obgleich mir die Versuchung, mich in das Bett des von uns gemieteten Zimmers zu legen, sehr nahe ging.
»Der Kerl hat vor meinen Augen zwei wehrlose Menschen abgeknallt. Den kaufe ich mir.«
Phil nickte ernst: »Okay, Jerry. Ich tät’s auch.«
Er schob mir seine Tasse über den Tisch und goss nach. Ich schlürfte den heißen Kaffee und murmelte etwas von Hunger.
»Hättest du früher sagen können«, lachte Phil. »Vergiss nicht, dass wir im besten Hotel New Yorks und in einem der Besten auf der ganzen Welt überhaupt sind.«
Er nahm ein sehr vornehm wirkendes Telefon und hob den
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