0071 - Mit der letzten Kugel
das von uns eingeschlagene Fenster, von dem er geglaubt hatte, Gassenjungen hätten es aus Schabernack eingeworfen, nachdem er also die Hauswand wieder hinabgeklettert war mit bemerkenswerter Gewandtheit, die Zähne fest in den Griff der Tasche gepresst, nahm er sich die Maske ab und setzte seinen Weg fort, als sei er einer der Früharbeiter, die mit ihrer Aktentasche zur Arbeit gehen.
An der Ecke der 23. Straße nahm er sich ein Taxi. Er benutzte es bis zum Columbus Circle an der Ecke Central Park, stieg dort aus und wartete, bis der Wagen in der Dunkelheit verschwunden war, ging zu Fuß ein Stück den Broadway hinauf und nahm ein anderes Taxi, von dem er sich nun ohne weitere Zwischenstationen bis in die 182. Straße bringen ließ.
Im Nebenhaus war ein kleines Nachtlokal, das verrufen genug war, um jedem Polizisten bekannt zu sein, und dort stellte sich Goliath erst einmal an die Theke. Er ließ sich rasch nacheinander drei doppelte Whiskys einschenken, stürzte sie hinunter, zahlte und ging.
In seinem Zimmer angekommen, kippte er den Inhalt der Aktentasche aufs Bett. Er fühlte sich absolut sicher, denn außer Slim und Rack hatte ihn ja keiner gesehen.
Glaubte er.
Mit gierigen Blicken musterte er die verschiedenen Schmuckstücke. Der Zusammenhang war ihm völlig klar. Die beiden Ganoven hatten bei dem Juwelier eingebrochen und sich mit der Beute sofort zu dem Haus in der Baker Street begeben, das übers Wochenende regelmäßig unbewohnt war, wie sie irgendwo erfahren haben mussten. Da der Juwelierladen nicht weit von der Baker Street entfernt lag, riskierten sie nicht viel. Sie versteckten die Beute in dem Haus der Harways. Dort würde sie der gerissenste Detective nie vermuten. Da man die New Yorker Ganoven bei der Polizei kennt, mussten Rack und Slim mit überraschenden Haussuchungen rechnen. Vielleicht hatten solche Durchsuchungen sogar stattgefunden. Jedenfalls fühlten sich Rack und Slim jetzt sicher und waren gekommen, um ihre Beute zu holen.
Goliath kicherte. Die Zeitungen hatten etwas geschrieben von siebzigtausend Dollar. Immerhin - zehn Prozent würde er beim Hehler, die immer das Löwengeschäft machten, bestimmt herausschlagen, sodass er mit mindestens siebentausend Dollar rechnen konnte. Und das war für einen Berufseinbrecher eine sehr beachtliche Beute. Vor allem da er sie, wie er glaubte, so ohne jedes Risiko erbeutet hatte. Andere hatten ja für ihn die Kastanien aus dem Feuer beziehungsweise den Schmuck aus dem Juwelierladen geholt.
Zufrieden warf er sich aufs Bett. Er war jetzt wirklich hundemüde, denn in der letzten Nacht war er mit zwei Bekannten in den Kneipen der Bronx hängen geblieben. Sonst wäre er gestern schon bei den Harways aufgetaucht. Ein Glück, dass er es nicht war. Sonst hätte er ja nichts von dem Schmuck gesehen.
Siebentausend Dollar! Das reichte wieder für eine Weile. Er konnte gut und gern ein paar Monate davon leben - und wie!
Mit sehr zufriedenen Gedanken schlief er ein.
***
Ich hatte das Haus 266 leicht gefunden. Die Haustür war verschlossen, und einen Pförtner gab es nicht in dieser ›vornehmen‹ Gegend.
Mein Dietrich öffnete mir das unkomplizierte Schloss. Einen Augenblick lang zögerte ich, dann drückte ich auf den Knopf für die Treppenhausbeleuchtung. Sie flammte auf und warf trübes Licht in ein verkommenes Haus. Die Tapeten hingen in Fetzen von den Wänden.
Ich stieg die Treppen hinauf. Ich gab mir keine Mühe, leise aufzutreten. Wenn Goliath mit Polizei rechnete, dann würde er mehrere erwarten und die würden vermutlich versuchen, im Treppenhaus leise zu sein. Einen einzelnen Mann, der sich noch dazu überhaupt keine Mühe gab, seine Schritte zu dämpfen, erwartete er bestimmt nicht.
Der dritte Etagenflur sah um nichts besser aus als die anderen. Ich zögerte auf dem Treppenabsatz nicht eine Sekunde, sondern stieg mit hörbaren Schritten weiter hinauf bis zum fünften Stock.
Dort setzte ich mich und brannte mir eine Zigarette an. Langsam rauchte ich. Neun Minuten waren vergangen, als ich die Zigarette ausdrückte.
Auf Zehenspitzen schlich ich mich die Treppe wieder hinab. Mt Hilfe meiner Taschenlampe fand ich sein Zimmer. Unter dem Türspalt quoll ein Lichtschein hervor. Entweder war er noch wach, hatte Besuch oder er war einfach zu faul, das Licht auszuschalten.
Ich zog meine Pistole. Einen halben Schritt trat ich zurück.
Dann hob ich den rechten Fuß und trat mit aller Wucht vors Schloss. Die Tür flog krachend in den Raum hinein, ich
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