0071 - Mit der letzten Kugel
die Telefonleitungen dieses Straßenzuges angezapft worden sind, besteht ja die Gefahr, dass auch meine Leitung abgehört wird. Deshalb hielt ich es für notwendig, zu schwindeln. Gott wird es mir verzeihen, hoffe ich.«
Ich lächelte.
»So ganz sicher war ich nicht«, gestand ich. »Und wenn Sie nicht gerade ein ehrwürdiger Mann wären, hätte ich bestimmt gedacht, Sie wären betrunken.«
Father Baseman nickte ein paar Mal. »Das will ich wohl glauben. Aber mir fiel nichts Besseres ein. Es ist nämlich etwas Entsetzliches in unserer Straße passiert, Agent Cotton. Ich erfuhr es vor einer Dreiviertelstunde im Beichtstuhl, allerdings nicht im Verlauf einer Beichte. Bevor ich darüber spreche, möchte ich Sie aber nach einer anderen Sache fragen. Sie haben doch als FBI-Beamter sicher schon Fälle von Kindesentführungen bearbeitet?«
»Mehrere.«
»Gut. Welches Prinzip steht bei einem solchen Fall an oberster Stelle?«
»Die Sicherheit des Kindes, das ist gar keine Frage. Wenn wir keine andere Möglichkeit sehen, sind wir sogar bereit, lieber die Kidnapper laufen zu lassen, als das Kind in Gefahr zu bringen.«
Father Baseman atmete erleichtert auf.
»Bin ich recht orientiert«, fragte er, »wenn ich annehme, dass Erpresser sogar manchmal das geraubte Kind umbringen, auch wenn die von ihnen geforderte Summe bezahlt worden ist?«
»Leider ja. Bei Kindern, die älter als ein bis zwei Jahre sind, tut man es fast immer. Die Erpresser gehen bei dieser unvorstellbar brutalen Tat von der Furcht aus, das Kind werde ihren Anblick nie mehr vergessen und sich vielleicht nach Jahrzehnten noch an sie erinnern. Es besteht theoretisch natürlich immer die Möglichkeit, dass das Kind später rein zufällig einmal die Erpresser wiedersieht und tatsächlich noch erkennt. Um sich dagegen zu schützen, werden die geraubten Kinder meistens von den Erpressern umgebracht, sobald ihre Forderungen befriedigt worden sind. Wenn es dem FBI nicht gelingt, das Kind vorher zu finden, was allerdings in den meisten Fällen geschieht.«
Father Baseman faltete die Hände.
»Guter Gott«, seufzte er, »dann scheine ich doch den richtigen Rat gegeben zu haben. Ich riet Familie Harway, das FBI unauffällig zu verständigen. Sie wollten es eigentlich nicht. Dann überzeugte ich sie und sie baten mich, es für sie zu übernehmen, weil sie ja vielleicht beobachtet werden und ihr Telefon abgehört wird. Man hat nämlich heute Nacht gegen elf Uhr das dreijährige Töchterchen der Harways entführt…«
Die Zigarette, die ich mir gerade anzünden wollte, rutschte mir aus den Fingern. Jetzt hätte ich einen Whisky nötig gehabt. Einen Augenblick lang starrte ich den alten Priester fassungslos an.
Ich hob die Zigarette auf und begann zu fragen. Ich holte mit zielbewussten Fragen alles aus ihm heraus, was er von der Sache selbst und über die Harways wusste. Er antwortete bereitwillig und sagte abschließend: »Man hat gedroht, dass man das Kind umbringen will, wenn die Harways die Polizei verständigen. Ich bitte Sie sehr, Agent Cotton, treffen Sie alle Ihre Vorbereitungen so, dass um Himmels willen niemand etwas davon merken kann!«
Ich nickte ernst.
»Okay, Father. Wir werden alles einkalkulieren, was man mit vorsichtigem Verstand nur einkalkulieren kann. Ein gewisses Risiko bleibt immer. So wenig ein Verbrecher ja spurlos arbeiten kann, so wenig kann es die Polizei. Aber wir haben natürlich wesentlich mehr Hilfsmittel zur Verfügung, und wir werden wirklich alles an Sorgfalt und Vorsicht aufbieten, was wir nur können. Ich habe jetzt keine Zeit mehr. Solche Fälle sind immer Fälle, in denen es um Zeit geht. Die Erpresser haben sie. Wir nicht. Leben Sie wohl, Father. Merken Sie sich bitte eines: Wenn wir aus irgendwelchen Gründen Verbindung mit Ihnen brauchen, so werden Sie eingeschriebene Briefe von der Blumenhandlung am Grand Central Bahnhof erhalten. Pakete kommen mit dem Absender einer chinesischen Wäscherei. Prägen Sie sich diese beiden Anschriften ein, damit Sie derartige Sendungen nicht unter Umständen zurückgehen lassen.«
Father Baseman nickte.
»Ich werde es mir genau merken, Agent Cotton.«
»Und noch eins«, sagte ich. »Wenn das nächste Familienmitglied der Harways zu Ihnen in die Kirche kommt, teilen Sie ihm mit, dass Mrs. Harway täglich zu Ihnen in die Kirche kommen soll. Vereinbaren Sie selbst mit ihr einen täglichen Termin, der genau eingehalten werden soll. Alle Nachrichten für Mrs. Harway oder ihrer Familie werden
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