0071 - Panik in der Geisterhöhle
Kreterkönigs Minos.
Und dann geschah es doch.
Sie sah Nirakis, der sich im toten Winkel verborgen gehalten hatte.
Sein sardonisches Lächeln sagte mehr als alle Worte. Und das was er tat ebenfalls.
Mit ausgestreckten Armen machte er einen Satz nach vorne, griff nach ihr.
Nicole handelte vollkommen automatisch. Und sie handelte schnell.
Ihre rechte Hand, die den Ventilator bereits gepackt hatte, schoß vor und zielte nach dem Gesicht des hinterhältigen Wirts. An Stirn und Nase wurde Nirakis hart von der Metallumrandung des Ventilators getroffen.
Vor Überraschung und Schmerz schrie er auf. Mit einer solchen Attacke hatte er wohl nicht gerechnet. Seine Hände, die sich schon im Oberteil ihres Hosenanzugs gekrallt hatten, lösten sich wieder.
Nicole war frei. Abermals schlug sie mit dem Ventilator auf Nirakis ein. Der Grieche taumelte. Das Mädchen sah, daß Blut aus einer Platzwunde über der Nasenwurzel hervortrat. Ein dritter Hieb hätte ihn wahrscheinlich völlig kampfunfähig gemacht. Aber was wäre damit erreicht gewesen? Das ganze Haus, das ganze Dorf wimmelte von Einheimischen. Und die Kerle steckten alle unter einer Decke.
Entkommen konnte sie nicht. Nur eins blieb ihr: Darauf hoffen, daß der Chef und Emwalomas möglichst schnell zurückkamen. So lange mußte sie sich halten. Und das konnte sie am besten in ihrem Zimmer hinter verschlossener Tür.
All diese Gedanken gingen ihr in Sekundenbruchteilen durch den Kopf. Entscheidende Zeit war ihr dabei nicht verlorengegangen. Bevor Nirakis sich gefaßt hatte und wieder etwas unternehmen konnte, war sie bereits im Zimmer. Der Schlüssel drehte sich im Schloß.
Die Tür sah solide aus. Selbst wenn man sich von außen mit der Schulter dagegenwarf, würde sie wohl standhalten. Nicole tat noch ein übriges, Sie rückte das Bett von der Wand ab und schob es mühsam vor die Tür. Am liebsten hätte sie auch noch auf den wuchtigen Kleiderschrank zurückgegriffen. Diesen jedoch zu bewegen, reichten ihre Kräfte nicht aus. Ihr blieb nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen, daß das Bollwerk auch so halten würde.
Sie gab sich jedoch keinen Illusionen hin. Wenn Nirakis und seine Bande wirklich Ernst machten, mit Axt, Pistole oder sonstigen Gewaltmitteln, hatte sie keine Chance. Sie konnte nur hoffen, daß sie es nicht bis zum äußersten treiben würden.
Aber diese Hoffnung schien leerer Wahn zu sein. Draußen hörte sie jetzt wieder die Stimme des Wirts. Sie klang haßerfüllt.
»Das wirst du mir büßen, du kleine Schlange!«
Nicole mußte sich wohl doch auf das Schlimmste gefaßt machen.
***
Dem ersten Angriff entging Professor Zamorra, indem er gedankenschnell zur Seite sprang. Die Klauen der Harpyie, groß wie Teller, verfehlten ihn nur um Haaresbreite, bohrten sich neben ihm in den Boden.
Ein Wutschrei, schrill und durchdringend, entrang sich der menschlichen Kehle der teuflischen Kreatur.
Die Harpyie wirbelte herum, visierte ihn aufs neue an. Der Professor hatte ihren Kopf jetzt ganz deutlich vor sich.
Das Gesicht einer Hexe. Alt, mit tiefen Runzeln übersät. Scharf gebogene Nase und ein dünnlippiger Mund, der zu einem abermaligen Schrei halb geöffnet war und zwei Reihen verrotteter Zähne erkennen ließ. Haare, die zum Nacken hin in schmutziggraue Federn übergingen.
Zamorra blieb keine Zeit für weitere Studien. Das Ungeheuer stürzte sich zum zweitenmal auf ihn. Zwei Meter über dem Boden schwebend und dabei rhythmisch mit den Schwingen schlagend, hieb es mit den Klauen nach ihm. Es ging so schnell, daß er diesmal nicht ausweichen konnte. Hart wurde er an der Brust getroffen. Die Wucht des Aufpralls war so groß, daß er zu Boden geschleudert wurde. Er spürte einen stechenden Schmerz über dem Brustbein.
Wie es schien, hatte ihm das Scheusal die Haut zerfetzt, den darunterliegenden Knochen jedoch nicht verletzt. Eine warme Flüssigkeit floß ihm über die Brust. Blut!
Gellender Triumph dröhnte ihm in die Ohren. Die Harpyie sah ihn anscheinend schon als besiegt an. Wieder fuhr sie auf ihn los. Aber Zamorra gab sich noch lange nicht geschlagen. Als sich eine der Klauen peitschenartig seinem Gesicht näherte, packte er zu, umklammerte den kinderarmdicken Fuß mit aller Kraft, die er mobilisieren konnte und riß ihn zur Seite. Der Widerstand, den er überwinden mußte war groß, aber es gelang ihm, das Ungeheuer aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sein Versuch, den Fuß zu brechen, mißlang jedoch. Es hätte wohl der Kraft von zehn
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