0072 - Die Ruine des Hexers
eingerichteten Salon nahmen die drei Platz. Baron Paul de Gascoyne schilderte, was er von dem neuen Auftauchen der schwarzen Kapelle und dem Todesfall wußte.
»Ich habe über alles nachgedacht, und ich weiß, daß ich mich Ihnen gegenüber falsch benommen habe, Professor Zamorra«, sagte der junge Mann dann. »Es soll keine Entschuldigung sein, nur eine Erklärung. Ich war verwirrt, von dem gräßlichen Tod meines Vaters tief betroffen. Alles stürmte auf mich ein. Und ich bin nie ein Mensch gewesen, der an Gespenster und dergleichen glaubte. Zu Anfang waren Sie mir, das will ich zugeben, ein Dorn im Auge.«
»Lassen wir das«, sagte Zamorra. Paul de Gascoyne hatte sich so überheblich gegeben, um seine innere Unsicherheit zu verbergen.
Der Schmerz machte ihn schroff. Aber er hatte Einsicht gezeigt, und er würde sich wandeln. »Sie können auch den Professor weglassen, wenn Sie mit mir reden. Für Sie bin ich Monsieur Zamorra oder einfach Zamorra.«
»Wollen auch Sie mein früheres Betragen vergessen, Mademoiselle Duval?« fragte Paul de Gascoyne.
Nicole lächelte.
»Wie könnte ich einem so gutaussehenden jungen Baron grollen.«
Auch Paul de Gascoyne lächelte ein wenig. Zamorra ging hinaus, um Kommissar Faber im Polizeipräsidium von Angers anzurufen.
Paul plauderte noch ein wenig mit Nicole. Er war ernst, aber jetzt sehr nett, und Nicole fand Gefallen an ihm.
Es stellte sich heraus, daß dem jungen Baron die Atmosphäre auf dem Schloß auch nicht so recht behagte. Er wollte einiges ändern, sobald etwas Zeit vergangen war.
***
Nachmittag war es, als Zamorra, Nicole und Paul de Gascoyne nach Angers fuhren, zum Haus des Bäckers Claireaux. Die Beisetzung war vorüber, und die Trauergäste hatten sich im Schloß zum Leichenschmaus zusammengefunden. Zamorra und Nicole hatten sich schon wieder umgezogen.
Nicole trug weinrote Hosen, eine geblümte Bluse und eine lange Modekette um den Hals. Ihr Haar war kurzgeschnitten und kastanienbraun gefärbt, mit einem rötlichen Schimmer. Nach dem Ausflug in die Vergangenheit und dem Brand der Satanskapelle war das nicht zu vermeiden gewesen.
Auch Zamorra hatte sich das volle dunkle Haar kürzen lassen. Er hatte seinen hellen Anzug an. In der Reisetasche auf dem Rücksitz befanden sich andere Kleider. Entsprechend der Mode des späten 18. Jahrhunderts.
Die Kleidungsstücke waren für Nicole und Professor Zamorra bestimmt. Sie stammten aus der Kleiderkammer des Schlosses und befanden sich in einem gutgepflegten Zustand. Auch eine gutgefüllte Börse mit altem Geld war dabei.
Zamorra fuhr über die Mayenne-Brücke nach Angers. Es war bewölkt an diesem Tag, und es würde bald regnen. Alles wirkte ganz normal, so wie an tausend anderen Tagen auch. Nichts erinnerte an den Spuk, der immer wieder diese Gegend heimsuchte.
In Radio, Fernsehen und Presse waren die Todesfälle des Barons Armand de Gascoyne und der Weinbäuerin Nadine Suchard natürlich erwähnt worden. Jetzt kam noch ein dritter dazu. Aber die Berichterstattung war die übliche.
Die Presse und die Nachrichtensprecher fabulierten von einem geheimnisvollen Mörder. Übernatürliche Mächte wurden mehr am Rande und als Gag erwähnt.
»Sie glauben also wirklich, daß Sie in die Vergangenheit reisen können, Zamorra?« fragte Paul de Gascoyne skeptisch.
Zamorra hatte ihm ein wenig erzählt. »Da bin ich sicher. Schließ- lich war ich mit Nicole schon einmal dort. Diesmal werden wir uns einen geeigneteren Zeitpunkt aussuchen, um im Jahre 1776 aufzutauchen.«
Nicole Duval wollte wieder mit von der Partie sein, obwohl das Zamorra nicht so ganz recht war. Im 20. Jahrhundert drohte ihm und Nicole momentan keinerlei Gefahr von Romain Rolland. Doch im 18. war das anders.
Zamorra hielt vor der Bäckerei Claireaux, und die drei stiegen aus dem Citroën DS 19 aus. Eine Limousine und der Wagen eines Bestattungsunternehmens hielten vor dem stattlichen Haus mit den beiden großen Schaufenstern.
Die Bäckerei war geschlossen. Ein Schild hing vor der Tür. Zamorra trug die Reisetasche mit den Kleidern, Paul de Gascoyne den Einsatzkoffer. Sie waren bereits telefonisch angemeldet, und sie nahmen nicht den Ladeneingang, sondern gingen durch den Hof zur Haustür. Ein schwarzer Spitz, der an einer Hundehütte angebunden war, kläffte laut.
Ein schwarzgekleidetes junges Mädchen mit rotgeweinten Augen öffnete, als Zamorra klingelte. Die Kleine war sechzehn oder siebzehn Jahre alt und hielt ein Taschentuch an die
Weitere Kostenlose Bücher