0072 - Die Ruine des Hexers
Nase.
»Professor Zamorra«, stellte Zamorra sich vor. »Das sind meine Mitarbeiterin Nicole Duval und Baron Paul de Gascoyne Ist Kommissar Faber schon da?«
»Gerade vor ein paar Minuten gekommen. Bitte, treten Sie ein.«
Zamorra, Nicole und der Baron wurden in ein Wohnzimmer geführt, auf das die Beschreibung gutbürgerlich paßte. Gediegene Möbel, ein geknüpfter Teppich, ein Farbdruck von Rembrandts Mann mit dem Goldhelm über der Couch. Nichts Extravagantes, aber Dinge von guter Qualität.
Kommissar Faber und ein junger Kriminalbeamter saßen auf der Couch. Zwei ältere Männer waren da, Verwandte der Familie Claireaux, und eine kleine, schwarzgekleidete und korpulente Frau. Das war die Bäckerin, die Frau von Martin Claireaux.
Der Kommissar rührte in einer Kaffeetasse herum. Er hatte ein Stück Torte auf dem Tablett vor sich stehen. Eigentlich war er schon dick genug, aber anscheinend wollte er mit diesem Zeug noch dicker werden.
Zamorra stellte sich und seine Begleiter vor. Sofort waren die Bäckerfrau und ihre beiden männlichen Verwandten um Baron Paul des Gascoyne bemüht. Die Familie de Gascoyne genoß ein hohes Ansehen in der Gegend, und für die Claireaux’ war es ein Ereignis, daß der junge Baron sie besuchte.
»Kann ich jetzt den Tatort sehen?« fragte Zamorra, um dem Getue um den Baron ein Ende zu machen. »Je eher, desto besser.«
Die Spurensicherung war schon eine Weile abgeschlossen, und Kommissar Faber hatte keine Einwände. Professor Zamorra, Nicole, der junge Baron, der Kommissar und der Kriminalbeamte, dazu einer von den Verwandten und der herbeigerufene Bäckergeselle Adolphe begaben sich zu der Backstube.
Der große elektrische Backofen war kalt, die Teigrühr- und knetmaschinen sowie die übrigen Geräte ausgeschaltet. Der Geselle und der Lehrling hatten aufgeräumt. Zamorra blieb zunächst im Bereitstellungsraum und warf nur einen Blick in die Backstube.
Totenstill war es drinnen. Die unnatürliche Atmosphäre und die latente Spannung, mit der alles aufgeladen war, konnte auch ein unsensibles Gemüt spüren.
Zamorra schaute in den Raum, dessen Fenster offenstanden. Das Amulett auf seiner Brust prickelte. Ein Pulsieren und Vibrieren ging davon aus.
Paul de Gascoyne räusperte sich. »Wann werden Sie… zurückkommen, Professor Zamorra?«
»Wenn überhaupt, dann schon in wenigen Augenblicken«, sagte Zamorra. »Beim letztenmal hat es auch nicht länger gedauert.«
Zamorra wollte keine Zeit mehr verlieren. Er nahm Reisetasche und Einsatzkoffer und betrat mit Nicole die Backstube. Das weiße Pulver, mit dem Fingerabdrücke festgestellt und aufgenommen werden konnten, war überall verstäubt. Auf dem Boden zeigten Kreidestriche die Lage der Leiche, die natürlich längst abtransportiert war.
Obwohl der Höllenspuk Martin Claireaux so gräßlich zugerichtet hatte, waren an den Wänden und an den Geräten keine Blutspritzer zu sehen. Diese befanden sich alle in der Satanskapelle. Nur der Boden zeigte an der Stelle, wo Claireaux’ Leichnam gelegen hatte, dunkle Flecke.
Zamorra wurde es eiskalt. Er hörte ein Raunen und Wispern. Die magische Energie an diesem Ort war noch sehr stark. Nicole nahm nun den Einsatzkoffer in die Rechte, Zamorra die schwere Reisetasche in die Linke.
Nicole legte die Hand auf die Schulter des Professors, und Zamorra zog sein Amulett unter dem Hemd hervor, ließ es baumeln. Sofort sprühte blaues Licht auf, umtanzte das Amulett und griff auf den Träger und das Mädchen über.
Wie ein Elmsfeuer tanzte es um sie herum. Dann wurde es völlig finster in der Backstube. Die Zuschauer schrien entsetzt auf, und dann gab es einen so gewaltigen Krach, daß das Haus bis in die Grundmauern erbebte.
Zamorra und Nicole hatten sich auf einen Tag einige Zeit vor der Hinrichtung des Romain Rolland konzentriert. Zamorra wollte den Hexer zuvor erledigen, und zwar gründlich, selbst wenn es zu einem Zeitparadoxon mit unabschätzbaren Folgen kam.
Zamorra und Nicole stürzten ins Nichts.
***
Kommissar Faber, der Kriminalbeamte, der junge Baron, der Verwandte der Claireaux’ und der Backergeselle starrten in die Finsternis. Es heulte und brauste. Eisiger Wind zerrte an den Kleidern der Männer und trieb sie mit seiner Gewalt an die Wände wie Blätter.
Sie schrien, aber ihr Schreien ging im Getöse unter. Die Natur sträubte sich dagegen, daß ihre Gesetze vergewaltigt wurden. Die Dimensionen gerieten an dieser Stelle durch die von Zamorra angewandte Magie in
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