0073 - Der Satansfjord
wir uns endlich verabschiedet hatten und auf den Weg machten, ahnten wir noch nicht, daß die höllischen Mächte schon wieder zum Schlag ausholten.
***
Die FX 212 war ein kleines Boot, kaum größer als ein Schiff mit Außenborder, wie sie im Sommer an den Küsten zum Wasserskilaufen eingesetzt wurden. Die FX 212 hatte jedoch nichts mit diesem schönen Sport zu tun, sondern gehörte zur norwegischen Marine. Sie war mit zwei Mann besetzt.
Dieser kleinen Einheit kam nur beobachtende Funktion zu. Die Sergeanten Emerson und Larsson waren zwar bewaffnet, aber bei einer ernsthaften Auseinandersetzung hätten sie nicht viel ausrichten können.
Selbstverständlich hatten auch diese beiden Männer von dem verschwundenen englischen Trawler gehört. Ihr Einsatz hatte nichts mit dem Kutter zu tun. Trotzdem hielten sie die Augen offen, ob sie vielleicht Wrackteile entdeckten.
»Unsere englischen Freunde regen sich mächtig wegen dieses Kutters auf«, meinte Emerson, als sie sich der Stelle näherten, an der die NORGE verschwunden war. »Besonders die Fischereigewerkschaft drüben auf der Insel macht Ärger.«
Larsson winkte ab. »Weiß ich! Die glauben, wir Norweger wären noch Wikinger, die nichts anderes zu tun haben, als englische Schiffe zu versenken.«
»Politik«, meinte Emerson achselzuckend.
Obwohl Emerson der Kommandant des kleinen Bootes war, herrschte an Bord ein freundschaftlicher und ungezwungener Ton. Die beiden Männer kannten sich schon seit vier Jahren und gaben sich nur in Gegenwart anderer dienstlich.
»He, was ist das da vorne?« rief Larsson plötzlich und hob sein Fernglas an die Augen.
Die Sicht war nicht gut. Die Wellen gingen hoch. Nebelfetzen strichen über das Meer in Küstennähe. Die Klippen selbst waren bis dicht über das Wasser von schwarzen Wolken verhüllt.
»Mein Gott, das sind ja…!« Larsson brach ab und zeigte seinem Begleiter die Richtung.
»Das sind Hunderte Rentiere!« rief Emerson, der nicht weniger überrascht war. »Sie schwimmen direkt auf uns zu! So etwas habe ich noch nie erlebt!«
»Das ist völlig verrückt!« bestätigte Larsson. Er griff zum Funkgerät und gab eine Meldung an ihren Stützpunkt durch. Er konnte allerdings nur melden, daß eine Herde schwimmender Rentiere die Weiterfahrt unmöglich machte. »Sie schließen uns von drei Seiten ein!« schloß er. »Nur noch das Wasser zur Küste hin bleibt frei! Wir werden…«
An dieser Stelle brach die Funkverbindung mit der vorgesetzten Dienststelle ab. Diese löste sofort eine Suche aus, doch das Boot mit der Bezeichnung FX 212 blieb verschwunden.
Es war jedoch nicht untergegangen. Während auf dem Meer eine fieberhafte Suche einsetzte, trieben die beiden Marinesoldaten mit ihrem Boot auf einem paradiesisch schönen, ruhigen Fjord. Sie konnten es noch nicht fassen, daß sie von den Brechern durch eine schmale Lücke in den Felsen geschleudert worden waren, ohne dabei verletzt zu werden.
Sie konnten sich jedoch nicht lange über ihre Rettung freuen, denn die Rentiere drängten zwischen den Klippen herein. Sie kreisten das leichte Boot ein und zerquetschten es förmlich.
Emerson und Larsson wurden herausgeschleudert. Vor Entsetzen gelähmt beobachtete Larsson, wie sein Freund von einem mächtigen Hirsch getötet wurde. Er sah auch noch die schauderhafte Gestalt aus der Tiefe des kristallklaren Fjords auftauchen. Doch ehe er begriff, wer da an die Oberfläche kam und sich seines toten Freundes bemächtigte, traf auch ihn der tödliche Stoß eines Geweihs.
Larrsons Leiche verschwand ebenfalls in der unergründlichen Tiefe des Satansfjords.
Am Ufer stand wieder wie eine Statue der Mann mit dem weiten Umhang und verdeckte auch diesmal seine Augen, um das Wesen aus der Tiefe nicht sehen zu müssen.
Kaum waren die Leichen verschwunden, als der Mann einen scharfen Pfiff ausstieß. Die Rentiere formierten sich neu und schoben das zertrümmerte Boot der Küstenwache vor sich her ans Ufer.
Zur selben Zeit suchte die norwegische Küstenwache vor den Klippen das Meer nach Wrackteilen der FX 212 ab – ergebnislos.
***
Wir staunten nicht schlecht, als wir auf dem Flughafen von Oslo von zwei Offizieren der norwegischen Marine in Empfang genommen wurden, die zuerst unsere Pässe und meinen Ausweis von Scotland Yard sehr genau studierten und uns dann in den V.I.P.- Raum führten.
»Sie waren schon abgeflogen, als wir uns mit Scotland Yard in Verbindung setzten«, erklärte uns Captain Farraer. »Daher wissen Sie noch
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