0073 - Gegen eine ganze Stadt
ab.
Hatte der Sheriff nicht gesagt, dass es nicht einen einzigen Strauch im ganzen Tal gäbe?
Aber dort, ungefähr sechs Yards über der Talsohle, war doch ein dürres, dorniges Gebüsch.
Ich betrachtete mir das Ding genauer. Zum Glück erhielt die Stelle das volle Licht eines Scheinwerfers, sodass ich alles ziemlich gut sehen konnte.
Ich bückte mich.
Wenn es hier im ganzen Tal eine Stelle gab, wo ein versteckter Ausgang sein konnte, dann nur hier. Mit den Händen zog ich die Zweige auseinander, und ich muss sagen, dass ich diesen Augenblick verdammt wenig auf die Dornen achtete.
Hinterher sahen meine Hände entsprechend aus.
Meine Vermutung hatte mich nicht betrogen. Der Busch war dürr, weil er keine Wurzeln hatte. Er war raffiniert zwischen zwei Steinbrocken eingeklemmt. Zog man ihn heraus und schob die beiden Brocken beiseite, so wurde eine schlauchartige Öffnung frei.
Ich zog meine Taschenlampe und leuchtete in den Schlauch hinein. Er weitete sich sofort zu einer ziemlich großen Höhle aus Naturstein.
An den Verschlussbrocken waren unten Metallkrampen eingelassen, die ein Bohrloch hatten, durch das ein Seil gebunden war. Das Seil hing in die Höhle hinein.
Man brauchte also nur in die Höhle zu klettern, von innen den ersten Brocken wieder über den Eingang zu ziehen, sodass ungefähr noch die Hälfte des Eingangs freiblieb, dann mit einer Hand vorsichtig den Busch fest an den Brocken pressen, während man den zweiten Brocken heranzog. Mit etwas Geschick konnte es gar nicht so schwierig sein.
Ich kletterte hinein, ließ aber die Höhle hinter mir offen.
Meine Taschenlampe zeigte mir den Weg. Es war ein Gang, der von der Höhle aus weiterführte. An manchen Stellen konnte man sehen, dass Menschen nachgeholfen hatten, ihn zu verbreitern.
Ich kletterte ihn entlang so schnell es ging. Es ging auf- und abwärts, nach rechts und nach links. Und dann, nach einer reichlich langen Strecke sah ich den Sternenhimmel Schimmern.
Noch ein paar Yards und ich stand im Freien. Mein Atem ging keuchend, denn ich hatte mich wahrhaftig nicht geschont. Trotzdem versuchte ich, einen Augenblick lang still zu bleiben.
Und da hörte ich seine Schritte. Ich richtete den Schein meiner Taschenlampe in die Richtung.
Und da sah ich ihn.
Sein Gewand flatterte um ihn herum wie die Fetzen um eine Vogelscheuche.
Ich setzte mich in Trab.
Nach den ersten zehn Schritten peitschte eine Kugel ungefährlich weit neben meinem Kopf vorbei. Trotzdem zog ich unwillkürlich den Schädel ein.
Ich blieb stehen und leuchtete noch einmal. Kein Zweifel, ich war ihm nähergekommen.
Als ich ihm so dicht aufgerückt war, dass ich sein schnaufendes Keuchen hörte, rief ich: »Bleiben Sie stehen! Ich habe Sie ja doch gleich!«
Er warf sich herum. Im gleicher! Augenblick erfasste ihn der Lichtkegel meiner Taschenlampe.
Noch immer trug er das goldverzierte, purpurrote Sackgewand mit der übergestülpten Kapuze. Aber in seiner rechten Hand hielt er eine Pistole.
Er krümmte gerade den Finger, als ihn mein Lichtstrahl erfasste. Nur einen Sekundenbruchteil später pfiff die Kugel bösartig sirrend über mich hinweg.
Ich hatte ebenfalls meine Pistole in der Hand. Und ich hätte ihn abschießen können wie einen tollen Hund.
Aber ich hatte die gespenstische Szene in dem Talkessel vor meinen Augen, wo man unschuldige Menschen schlimmer als mittelalterliche Henkersknechte foltern wollte. No, diesen Mann sollte keine zufällig tödlich treffende Kugel vor dem Henker bewahren.
»Geben Sie es auf«, sagte ich ruhig, während ich mich langsam aufrichtete.
Die linke Hand hielt die Taschenlampe auf ihn gerichtet. Mit den Augen fixierte ich ihn genau, denn ich wusste, dass mein Leben jetzt von meinen Augen und meiner Reaktionsfähigkeit abhing.
Er riss abermals seine Pistole hoch. Ich sah, wie sich der Zeigefinger krümmte.
Diesmal warf ich mich nicht nach vorn. Vielleicht kalkulierte er es ein. Ich hechtete zur Seite, und ich flog ganz schön weit.
Der Schuss bellte auf, aber ich hörte die Kugel nicht. Ziemlich unsanft knallte ich mit der Schulter gegen ein Felsstück, dass ich in der Dunkelheit nicht gesehen hatte.
Es war sein dritter Schuss. Mehr als höchstens sieben konnte er nicht haben. Ich kannte diese kurzläufige Pistolenart.
Sechs Schuss passen ins Magazin, keiner mehr. Allenfalls noch einer in den Lauf, das machte sieben.
Wieder rappelte ich mich auf.
Der Kapuzenmann versuchte, seine Flucht fortzusetzen. Unbarmherzig schälte ihn
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