0073 - Gegen eine ganze Stadt
meine Taschenlampe aus der Finsternis. Abermals warf er sich herum.
Geblendet starrte er in das Licht der Lampe. Aufs Geratewohl zielte er in das grelle Licht hinein.
Ich schoss vier Rollen vorwärts, dass mir alle Knochen im Leib krachten.
Gleichzeitig peitschten zwei Schüsse rasch hintereinander irgendwo in den Nachthimmel oder in die Erde.
Jetzt war ich ihm bis auf drei, vier Schritte nahegekommen. Ich verzichtete auf die Taschenlampe und hechtete ihn an.
Hoffentlich drückt er nicht gerade jetzt ab, dachte ich.
Dann hatte ich ihn.
Mit der rechten Hand erwischte ich seinen Hals, mit der linken das Handgelenk des Pistolenarmes.
Ich drehte mit aller Kraft, als ich die Mündung seitlich an meinem Hals spürte.
Er schrie und krümmte den Finger. Glühend heiß fuhr mir etwas über die linke Halsseite.
Als er den Finger zum zweiten Mal krümmte, gab es nur ein trockenes Kläcken.
Er hatte keinen Schuss im Lauf gehabt.
Mein Hals brannte höllisch. Aber gerade deshalb wusste ich, dass es nur ein Streifschuss sein konnte.
Keuchend rang ich mit dem zähen, schwergewichtigen Burschen.
Er wehrte sich mit allen Mitteln.
Ich musste es einstecken, dass er mir sein Knie in den Magen rammte. Mir wollten sich zwar augenblicklich die Eingeweide umdrehen, aber ich ließ nicht los.
Ein paar Mal lag er unten, ein paar Mal ich. Unser Atem keuchte wild.
Aber schon nach kurzer Zeit merkte ich, dass er über nicht genug Reserven verfügte. Seine Anstrengungen wurden schwächer.
Ich nutzte einen günstigen Augenblick. Meine Faust zischte ihm in die Brustgrube.
Er bäumte sich auf.
Ich schlug nach, ans Kinn oder wenigstens dorthin, wo ich es unter der Kapuze vermuten durfte.
Ich erwischte ihn nicht genau, aber er fuhr doch merklich zusammen.
Mit einer letzten Anstrengung riss ich mich aus seiner Umklammerung, holte aus und schlug ein letztes Mal zu.
Er zuckte zusammen und rührte sich nicht mehr.
Ich ließ mich flach auf den Boden sinken und atmete tief.
Langsam beruhigten sich meine keuchenden Lungen und das wild klopfende Herz.
Als ich wieder einigermaßen fit war, suchte ich im Schein meines Feuerzeugs meine Taschenlampe. Ich knipste sie an und zog dem Kerl die Kapuze ab.
Es war Mr. Laroche, der Mann, der nicht genug für seine Gesundheit tat.
Ich wartete, bis er wieder zu sich kam, dann zwang ich ihn, mit mir zum Eingang des Talkessels zu gehen.
Dort hatten inzwischen Militärlastwagen einen guten Teil der Leute abtransportiert. Ununterbrochen kamen und fuhren die schweren Drei-Tonner heran und weg. Jedes Mal mit einer Fracht von vierzig Leuten.
Holder beschlagnahmte die Turnhalle der Highschool und zwei Nebenräume. Die ganze Nacht über verhörten meine sechs G-men, Phil, Holder, vier Offiziere und ich einzeln die Verhafteten. Wir stellten bei jedem nur seine Personalien fest, dann ließen wir die meisten laufen.
Bis auf den Oberboss; seine beiden Stellvertreter und einige andere, die sich wie die Wilden gebärdeten.
Die eigentlichen Verhöre dauerten knapp drei Wochen.
Fast alle angesehenen Bürger dieser kleinen Stadt hatten zu dem Geheimklub gehört.
Die vier jungen Burschen von der Eisenbahn entpuppten sich als Wandas Mörder. Der Sohn des Arztes Merain hatte sie angestiftet.
Der Rowdy Sam Croys, der bei dem Fischhändler wohnte, fungierte als eine Art Oberhenker bei dem Klub.
Er hatte die Misshandlungen des Negerehepaares durchgeführt, nachdem ihm von Laroche ein dementsprechender Auftrag zugegangen war.
Hier zeigte sich übrigens auch, dass nicht nur religiöser Wahn, sondern auch sehr viel realere Motive mitspielten:
Laroche hatte ebenfalls unter anderem ein Juweliergeschäft, aber wegen seiner habgierigen Preise in den letzten Monaten einen guten Teil seiner Kundschaft an Kingsdon verloren…
Hinter dem Lynchmord stand abermals Laroche. Er hatte die vier Boys von der Highschool und Sam Croys bei einem Sondertreffen des Klubs entsprechend bearbeitet. Am nächsten Morgen kam es dann zu der Lynchjustiz…
Wir klärten alles in buchstäblich Tausenden von Verhören. Dann sandten wir die Akten an das Oberste Bundesgericht.
Ein paar Wochen später fand der Prozess statt. Der Richter sagte in der Urteilsbegründung: »…Religiösen Wahn kann ich bei der Urteilsfindung nicht als mildernden Umstand bewerten. Die Worte Jesu Christi sind so eindeutig und unmissverständlich, dass Hass, Misshandlung und Mord niemals mit ihnen entschuldigt werden können. Wohl aber kann man vor so viel Bosheit,
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