0077 - Das Phantom der Insel
Lo Sardos Identität aufgeklärt hatte.
Aber er wollte ganz sicher gehen. Er mußte wissen, ob man den Mann, der sich hinter der Erscheinung des Inselgeistes verbarg, auch hier in dieser Gegend kannte.
Er lenkte den Wagen die schmale Straße hinunter, bis vor den mächtigen Turm aus alter Zeit.
Dann nahm er das Stück Tuch aus der Tasche. Ging auf einen Mann zu, der mit gesenktem Blick daherschlurfte.
Als der Fremde die goldenen Lettern sah und den Namen las, wurden seine Blicke starr.
»Lo Sardo!« stammelte er. Dann lief er wie gehetzt davon.
Dieses kleine Zwischenspiel ereignete sich mehrmals. Wer das Tuch mit dem Namen zu sehen bekam, wich vor Furcht zurück. Einige der Männer bekreuzigten sich. Andere zeigten höchste Grade von Angst und Entsetzen.
Bald war es Zamorra klar, daß es niemand in der Stadt Bari gab, der den Unheimlichen nicht kannte und fürchtete.
Die Einheimischen schwiegen sich aus, als Zamorra seine Fragen stellte. Ihnen war die Furcht anzusehen. Furcht darüber, daß sie etwas ausplaudern könnten, was Lo Sardo ihnen heimzahlen würde.
Das größte Entsetzen aber zeigten die Gesichter derjenigen, die aus anderen Nationen stammten. Bei ihnen war es panische Todesangst, die Zamorra feststellen konnte.
Bald wußte er Bescheid.
Lo Sardo war mit dem Mann identisch, dessen Name auf dem roten Tuch zu lesen war. Es gab keinen Zweifel mehr.
Und es gelang Zamorra, das Haus dieses Mannes ausfindig zu machen. Er entschloß sich sofort, nach dem Besitzer zu fragen.
Ein junger Sarde öffnete.
Zamorra stellte sich unter fremdem Namen vor und sagte, daß er den Hausherrn in geschäftlichen Angelegenheiten sprechen möchte.
»Der Herr ist nicht hier, er ist auf Reisen«, war die Antwort des jungen Burschen.
»Wann wird er zurück erwartet?« fragte Zamorra.
»Es kann drei Wochen dauern, Herr.«
»So lange kann ich die Sache nicht aufschieben«, sagte der Professor. »Auch ich bin, wie gesagt, geschäftlich unterwegs. Ich komme in viele Städte. Ist es möglich, daß ich deinen Herrn in einem Hotel in Sassari, Bosa oder Oristano antreffen kann?«
»Sassari nicht mehr, dort ist jeder…«
Der Diener hielt erschreckt inne. Zamorra erkannte sofort, auf welche Weise dieser sich und Lo Sardo beinahe verraten hätte.
Dort oben, in Sassari, war jeder erledigt, der auf Lo Sardos Racheliste gestanden hatte!
»Was ist in Sassari?« fragte Zamorra lauernd.
»Alles erledigt, jedes Geschäft«, sagte der junge Diener schnell. Zamorra gab sich den Anschein, daß er nichts bemerkt hatte.
»Und wo kann ich ihn dann treffen? In Bosa vielleicht?«
Der Diener schüttelte den Kopf.
»Noch nicht, Herr. Bosa und Oristano werden zuletzt besucht.«
»Aha. Und zwischendurch kommt dein Herr auch nicht nach Hause, wie ich annehme.«
»Si, Signor. Erst alle Geschäfte, dann kommt er zurück.«
»Und wo hält er sich jetzt auf?« bohrte Zamorra weiter. Er glaubte, es genau zu wissen. Aber er wollte herausfinden, wieviel Vertrauen der junge Bursche bei Lo Sardo hatte.
»Ich weiß es nicht«, kam die zögernde Antwort, und Zamorra spürte, daß der Bursche log.
»Macht nichts, vielen Dank. Dann werde ich es zunächst in der Gegend von Orune versuchen.«
Diese Worte verfehlten ihre Wirkung nicht.
Der Diener wechselte in Sekunden die Farbe und wurde bleich.
Sofort stieß Zamorra wieder nach.
»Wie ich gehört habe, macht dein Herr am liebsten Geschäfte mit Ausländern, nicht wahr? Mit Spaniern und Griechen zum Beispiel?«
Jäh schoß dem Burschen die Röte ins Gesicht. Verlegenheit und Wut, dachte Zamorra. Der Kerl möchte mich am liebsten auf Lo Sardos Todesliste setzen.
Blitzschnell sah der Professor sich um. Niemand beobachtete die kleine Szene zwischen zwei Männern, die sich ganz normal zu unterhalten schienen.
Er handelte schnell.
Mit der ganzen Kraft seines Körpers drängte er den jungen Sarden zurück, in die Halle des Hauses. Dann packte er ihn am Kragen.
»Es geht dir gut, wenn du mir antwortest!« fuhr er ihn an. »Wenn du schweigst, werde ich dich noch vor Lo Sardo unschädlich machen.«
Die Augen des Burschen weiteten sich vor Angst.
»Ihr… wißt alles?« begann er stotternd.
»Fast alles«, gab Zamorra zur Antwort. »Bis auf das, was ich dich jetzt fragen werde. Erstens: stimmt es, daß Lo Sardo noch in der Gegend von Orune ist?«
Der Diener nickte nur, brachte kein Wort heraus.
»Dann ist Melaos, der Grieche, als nächstes Opfer vorgesehen?«
Wieder war ein schnelles Kopfnicken
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