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0079 - Das Gespensterschiff

0079 - Das Gespensterschiff

Titel: 0079 - Das Gespensterschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franc Helgath
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bewegen, ja. Doch ihre Bewegungsfreiheit war stark eingeschränkt. So als würde sie bis über den Kopf in einem zähen Brei stecken.
    Die Sterblichen wurden neben dem Toppmast in eine Reihe gestellt wie Delinquenten, die auf ihre Hinrichtung warteten. Dann regten sich die Piraten des Satans nicht mehr. Ihre Gesten froren ein. Die Gestalten glichen immer mehr ihren eigenen, gräßlichen Standbildern. Sie schienen auf neue Befehle zu warten.
    Dann ruckten mit einem Male alle Köpfe gleichzeitig nach hinten zum Achterdeck mit den Aufbauten und dem Steuer obenauf. Aus dem Niedergang neben dem Steuerruder tauchte ein schwarzer Hut mit einer weißen, wippenden Feder obenauf, dann ein gelbliches, eingefallenes Gesicht wie das eines Frischverstorbenen. An der Oberlippe hing ein pechschwarzer, nach unten gezwirbelter Malaienbart, dessen Enden ständig wippten. Wie Kohlen glühten die Augen in tiefen, von dichten Brauen überschatteten Höhlen. Scharf wie ein Geierschnabel war die dünne Nase gekrümmt. Der ganze Mann hätte auch ohne sein altes Wams etwas Exotisches an sich gehabt.
    Die hohen Schaftstiefel glänzten wie poliert. Das Hemd leuchtete weiß über der scharlachroten Schärpe. Durch die Pluderärmel fauchte der Wind, der mit dem Erscheinen Käpt’n Hawks aufgekommen war. Fast schlagartig wurde es dunkel, und nur mehr der Mond und die kalt funkelnden Sterne beleuchteten die Szenerie. Die Spukgestalten um die Gefangenen herum begannen wieder von innen heraus grünlich zu schimmern.
    Bakterien.
    Verwesungsbakterien, die diese Körper langsam, aber sicher vernichteten. Der Ungeist, der sie jede Nacht beseelte, wollte es vermutlich so.
    An Käpt’n Hawks Seite hing ein eleganter Säbel mit goldenem Griff und juwelenverzierter Scheide. Jetzt riß er den Säbel mit einer schnellen Bewegung heraus. Der Stahl blitzte kurz im Mondlicht.
    Nicole und auch die Männer zogen unwillkürlich die Köpfe ein. Die Geste hatte etwas ungeheuer Drohendes an sich gehabt. Die Kohlenaugen des verfluchten Piraten brannten auf sie herunter, der lippenlose Mund zog sich zu einem bleckenden Grinsen auseinander, wobei die Bartenden sich unter dem Kinn berührten.
    Der Blick Käpt’n Hawks blieb an Nicole hängen. Sein Lächeln wurde noch breiter und noch abstoßender. Schauder jagten Nicoles Rücken hinunter. Sie stand wie angewurzelt, fühlte die Furcht, in sich hochsteigen wie ein unverdauliches Mahl. Ein Würgen saß plötzlich in ihrer Kehle und verging nicht mehr, wurde noch stärker, als der Piraten-Kapitän sich mit einem gewaltigen Satz über die Brücke aufs Mannschaftsdeck schwang.
    Federnd kam er auf. Den Säbel hatte er immer noch gezückt.
    Mit gestelzten Schritten kam er auf die Gefangenen zu, Nicole nicht dabei aus den Augen lassend.
    Dumpfer Modergeruch schlug Nicole entgegen,- als der Untote seinen breiten Mund aufmachte. Er zog galant seinen Hut und vollführte eine spöttische Verbeugung.
    Hawk sprach ein geschraubtes Englisch, wie man es vor rund 300 Jahren am Hofe der Oranier-Könige benutzte.
    »Welche Ehre, Euch auf einem Schiff Ihrer Majestät begrüßen zu dürfen, das durch Fügungen eines sonderlichen Schicksals die Meere auch in diesen Zeiten noch befährt. Mein besonderer Gruß gilt dabei Euch, Mademoiselle Nicole. Ich verrate Euch kein Geheimnis, Mylady, daß ich schon früher gallische Damen allen anderen vorgezogen habe. Sicher werden wir noch sehr oft zusammen zu tun haben.«
    Käpt’n Hawk machte eine unmißverständliche, zotige Gebärde, die durch die Jahrhunderte nichts an ihrer Aktualität eingebüßt hatte. Nicole suchte Bill, doch der hatte immer noch seinen irren Blick. Er weigerte sich einfach, seine derzeitige Umgebung als real hinzunehmen. Er reagierte nicht, als Nicole ihn unterfassen wollte, sondern stand steif wie ein Stück Holz.
    Hawk hatte Nicoles Hilflosigkeit bemerkt. Seine Stimme klang nicht mehr menschlich. Sie schien nicht aus seinem Mund, sondern tief aus seiner Brust zu kommen. Der Baß dröhnte über die gesamte KARIBIAN QUEEN.
    »Nun tu doch endlich etwas!« schrie Nicole schrill und zerrte an Bills Armen.
    »Er kann nicht«, antwortete Käpt’n Hawk an seiner Stelle. »Er kann gar nichts mehr tun außer sterben. Und das wird er bald. Auch Ihr werdet sterben, Mademoiselle. Doch Ihr werdet wiedererwachen und an meiner Seite die Königin sein.« Ein Ausdruck des Bedauerns zog wie ein Schatten über das Gesicht des Piraten. »Leider wird uns das Vergnügen, zusammenzubleiben, nicht

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