007a - Amoklauf
brachte.
In dieser Nacht schlief ich sehr schlecht. Wilde Alpträume ließen mich immer wieder hochfahren.
Am Vormittag kam Inspektor Rahan vorbei, der einen Großteil der Polizisten abzog. Nur drei sollten das Haus bewachen. Ein Polizeiarzt untersuchte Barbara und Gloria und schlug ihnen vor, für einige Zeit das Haus zu verlassen und sich in ein Sanatorium zu begeben, doch die Mädchen wollten davon nichts wissen. Barbara war in den vergangenen Tagen sichtlich gealtert; ihr Gesicht war eingefallen, fast grau, ihr Haar stumpf und strähnig. Von Glorias Lebenslust war auch nichts geblieben; sie sah zwar nicht ganz so verfallen wie ihre Schwester aus, war aber im Augenblick auch alles andere als attraktiv.
Ich unterhielt mich kurz mit Rahan. Aus seinen Andeutungen schloß ich, daß die Fälle in den Schrank mit den unerledigten Akten kommen sollten. Die Polizei stand vor einem Rätsel. Keiner der Experten konnte sich einen Reim auf die Vorkommnisse machen.
Ich fuhr nochmal in die Stadt, telefonierte vom Hauptpostamt mit Coco und beobachtete dann zwei Stunden lang Hewitts Haus, doch er ließ sich nicht sehen.
Im Haus der Richardsons traf ich meine letzten Vorbereitungen. Dann konnte ich nur noch warten.
Jerome Hewitt blieb vor dem mit schwarzem Samt überzogenen Tisch stehen, beugte sich vor und strich fast liebevoll über die beiden Tonfigürchen, die dicht nebeneinander standen. Die Figuren konnte man höchstens als Karikaturen von Menschen ansehen, doch für Hewitts Zwecke genügten sie. Sie waren etwas über zehn Zentimeter hoch, die Köpfe unproportioniert groß, Nase, Mund und Augen waren nur angedeutet. Aus der Schädeldecke ragten Haare, die sich zusammengerollt hatten, während in den ausgebreiteten Händen Fingernagelstücke steckten.
Hewitt trat einen Schritt zurück, entzündete ein Streichholz und steckte eine schwarze Kerze an, die er hinter die zwei Tonfiguren stellte. Er blieb einige Sekunden lang bewegungslos stehen, steckte seine Hände in die Ärmel seines dunklen Umhangs und schloß die Augen. Seine Lippen formten unhörbare Worte. Die Haut über seinen Backenknochen spannte sich.
Dann holte er aus einer seiner Taschen ein Stück weiße Kreide, zog einen Halbkreis um die Figuren, trat einen Schritt zurück, verbeugte sich und berührte mit der rechten Hand kurz die Stirn. Anschließend begann er das magische Zeichen seines Schutzdämons auf den schwarzen Samt zu malen. Es war ein ungemein schwierig zu zeichnendes Gebilde. Zuerst malte er eine eigenartige Figur und zog dann in der Mitte eine dicke Linie, deren Ende er mit einem umgedrehten Pfeil verzierte. An die Unterseite des Zeichens hängte er Linien an, die er mit Pfeilen verband. Schließlich vollendete er den Kreis, den er vorher gezogen hatte, griff nach einem kleinen Kästchen, öffnete es und klappte das Oberteil auf. Es war mit roter Seide ausgeschlagen und darin lagen zwei Pipetten, die mit Blut gefüllt waren. Er nahm je eine der Pipetten in seine Hände, beugte sich über die Tonfiguren und murmelte erneut unverständliche Worte.
»Berith«, rief er seinen Schutzgeist an. »Berith!«
Gleichzeitig ließ er den Inhalt der Pipetten auf die Figuren tropfen. Er rief den Geist noch einige Male beim Namen, dann legte er die Pipetten in das Kästchen zurück und wartete.
Die Kerze fing plötzlich zu flackern an, die Flamme wurde immer größer, und der Raum schien sich auszudehnen. Aus dem Nichts kam ein Windstoß. Die Kerzenflamme wurde größer und hüllte die Tonfiguren ein. Die Haare versengten und ebenfalls die Fingernägel. Der Spuk dauerte nur einige Augenblicke lang, danach brannte die Kerze wieder ruhig.
Hewitt lächelte zufrieden. Er hatte nun völlige Gewalt über Gloria und Barbara Richardson und konnte von ihnen verlangen, was er wollte. Sie mußten ihm gehorchen. Er war jetzt fast körperlich mit ihnen verbunden. Niemand konnte sie mehr befreien. Sie würden ihm auch noch folgen, wenn sie schon lange tot waren, außer jemand schlug ihnen den Kopf ab oder hatte einen wirksamen Gegenzauber.
Aber nicht nur deshalb war Hewitt zufrieden. Der heutige Tag war der Höhepunkt seines Lebens. Er war von der Schwarzen Familie beauftragt worden, einen Platz für den Hexensabbat zu suchen. Da ihm in Europa der Boden unter den Füßen zu heiß geworden war, hatte er sich nach Brunei zurückgezogen, und hier hatte er nicht lange suchen müssen, bis er den geeigneten Platz für den Hexensabbat gefunden hatte. Das Haus der
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