007b - Duell mit den Ratten
Gegenpropaganda trug bereits Früchte; die erste Mutter war gekommen, um ihren Sohn aus dem Internat zu holen. Coco hoffte, daß auch die anderen Eltern Dorians Warnung ernst nahmen und ihre Kinder abholten. Sie konnte nicht sagen wieso, aber irgendwie fürchtete sie sich vor der kommenden Nacht. Sie fand, daß sich Prosper Fludd und seine drei Freunde heute besonders bösartig gezeigt hatten, und auch Theophil Crump war ihr heute unheimlicher gewesen als sonst. Der rotmähnige Turnlehrer hatte sie schon beim Frühstück so angestarrt, daß ihr eine Gänsehaut über den Rücken gelaufen war. Und am Nachmittag, während Dorian mit seinen Leuten das Grundstück nach Miß Skeates abgesucht hatte, belauschte sie ein Gespräch zwischen Crump und Prosper. Sie wußte nicht, wo es stattgefunden hatte, sondern hörte nur die Stimmen der beiden, als sie die Toilette aufsuchte. Theo hatte Prosper gefragt, ob er sein Spielzeug auch gut versteckt habe, woraufhin Prosper sich dumm stellte. Theo drückte sich daraufhin deutlicher aus und ermahnte Prosper, darauf zu achten, damit den fremden Männern nicht das, wonach sie suchten, in die Hände fiel.
Und dann sagte er noch etwas. Wortwörtlich sagte er: »Der Tag wird kommen, da du erkennst, daß wir Brüder sind, Prosper.«
Worauf Prosper antwortete: »Du mußt zu mir halten, Theo, weil ich zuviel über dich weiß.«
»Darüber hinaus verbinden uns aber noch starke Bande, die nicht einmal der Tod durchtrennen kann, Prosper. Wir haben das gleiche Blut, sind vom gleichen Schlag.«
Dieses Gespräch hatte Coco gezeigt, daß Crump über Prospers Gefangene Bescheid wissen mußte. Außerdem bestätigte es ihre Vermutung, daß Prosper noch keine Ahnung von seiner wahren Abstammung hatte. Den drei anderen Dämonenkindern erging es sicher nicht anders. Sie spürten nur den Drang des Bösen in sich und wußten, daß sie anders als die anderen waren.
Coco mußte noch vor Einbruch der Nacht das Versteck finden, in das Prosper seine Gefangene gebracht hatte. Dorian hatte ihr versprochen, einen seiner Leute in der Nähe zu postieren und Don zu ihr zu schicken. Bis der Puppenmann eintraf, mußte sie Miß Skeates gefunden haben, um sie sofort in Sicherheit bringen zu können.
Coco durchstreifte den Wald und näherte sich fast unbewußt dem Faun-Teich. Als sie am Ufer des Teiches stand und auf den breiten Schilfgürtel starrte, kam ihr der furchtbare Verdacht, daß Prosper seine Gefangene vielleicht bereits getötet und hier versenkt hatte. Sie umrundete den Teich zweimal, ohne jedoch irgend etwas Verdächtiges zu entdecken. Jedesmal, wenn sie an der Faun-Statue vorbeikam, fröstelte sie. Sie hielt die alte Legende, wonach die Statue der versteinerte Liebhaber der einstigen Schloßherrin sein sollte, durchaus für möglich, zumal, wenn auch schon damals Dämonen mit im Spiel gewesen waren.
Coco ließ den Faun-Teich hinter sich und wollte sich gerade dem Gerätehaus zuwenden, das Miß Doyle und Mr. Wisdom als Liebesnest diente, als sie durch die Büsche eine Bewegung sah. Es war Prosper Fludd. Der Junge trug einen Picknick-Korb in der einen Hand und einen Malkasten in der anderen und war darauf bedacht, kein unnötiges Geräusch zu machen. Er blickte sich bei jedem Schritt um und schien größten Wert darauf zu legen, daß niemand ihn sah. Coco ging hinter dem nächsten Strauch in Deckung. Unter normalen Umständen wäre sie sich albern vorgekommen, einen Jungen bei seiner Freizeitbeschäftigung zu beobachten, aber Prosper war kein normales Kind. Er war ein Geschöpf der Dämonen und selbst schon durch und durch ein Teufel.
Prosper blieb plötzlich stehen und lauschte. Es war ganz still im Wald. Nur vom Schloß her hallten die Geräusche herüber. Coco glaubte, wieder Motorenlärm zu hören. Hoffentlich wurden noch heute alle fünf normalen Kinder aus dem Internat geholt.
Coco atmete auf, als sich Prosper wieder in Bewegung setzte. Er wich von seinem ursprünglichen Weg ab und wandte sich nach links – in Richtung des Mausoleums. Nach wenigen Schritten entschwand er im Unterholz ihren Blicken. Ihr blieb keine andere Wahl, als ihm zu folgen, denn sie war überzeugt, daß er seine Gefangene aufsuchte.
Wenn sie das Versteck finden wollte, dann mußte sie Prosper folgen. Selbst auf die Gefahr hin, daß er sie entdeckte.
Coco hielt nach jedem Schritt inne und lauschte. Prosper war schon so weit entfernt, daß sie ihn nicht einmal mehr hörte. Da entschloß sie sich, einem rascheren
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