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008 - Hexenbalg

008 - Hexenbalg

Titel: 008 - Hexenbalg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gimone Hall
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die getrockneten Kräuter. Ihr fiel auch wieder ein, wie sein Interesse an ihr sie verwirrt hatte, und in Anbetracht all dessen fragte sie sich, welcher Instinkt sie dazu getrieben hatte, den Zettel wieder in der Tasche zu verstauen, statt ihn in den Papierkorb zu werfen, wohin er gehörte.
     
     
    ***
     
     
    Linda Hillburton erschien zur ersten Anprobe in Begleitung ihrer Mutter, einer eleganten, attraktiven Frau, deren Lächeln, wie Marq boshaft bemerkte, so knapp bemessen war wie ihr Hüftgürtel. Linda, die ebenfalls schick gekleidet war, wirkte wie ein trotziges Kind und war bei weitem nicht so unbefangen wie damals im Gewächshaus.
    Als man ihr das Nesselmodell überzog, nahm sie eine so lasche Haltung ein, dass ein genaues Abstecken fast unmöglich war. Beth hätte Linda am liebsten befohlen, endlich geradezustehen, aber Mrs. Hillburton nahm ihr das ab. »Um Himmels willen Linda, nimm doch endlich Vernunft an und bring die Hochzeit mit Anstand hinter dich«, sagte sie entrüstet, wenn auch ohne Erfolg.
    Beth war mit ihrer Geduld bald am Ende. An einer krumm dastehenden, unwilligen Linda konnte sie nicht arbeiten. Der Zufall wollte es, dass sie mit einer Stecknadel ins Bein stach. Die künftige Braut schnappte nach Luft und konnte plötzlich stillstehen.
    Zur letzten Anprobe kam Linda ganz allein. Das ungezogene Kind war wie weggeblasen – sie wirkte selbstsicher und erwachsen und ließ alles geduldig mit sich geschehen. Das Kleid war ein Traum. Die schlicht geschnittene weiße Seide betonte raffiniert Lindas Figur. Ein sanfter Schimmer ging von den aufgenähten Samenkörnern aus, die über den Rock verstreut waren, die weiten Ärmel zierten und sogar die kleine Kappe, an der der Schleier befestigt war und wie ein seidener Wasserfall herunterfiel.
    Linda besah sich lange im Spiegel und sagte kein Wort. Sie sah an sich herunter. Beth spürte, dass das Mädchen mit sich kämpfte, und wartete mit angehaltenem Atem ab.
    Da sah Linda auf und schlug den Schleier zurück. Jetzt sah man, dass ihr Gesicht von mädchenhafter Freude leuchtete. Keine Spur von der Miene einer Sozialarbeiterin. Stattdessen das Bild einer Frau, die von einem Kleid hingerissen war. Sie lächelte reumütig.
    Aufrichtigkeit gehörte zu ihren Tugenden, und überdies hätte sie Beth nicht täuschen können. »Na schön, diese Runde geht an Sie«, sagte Linda, und damit Beth sich nicht etwa auf ihren Lorbeeren ausruhte, verfiel sie plötzlich wieder in ihren alten Stil: »Immerhin bleiben noch die Kleider der Brautjungfern, die ich sicher scheußlich finden werde. Und was meine übrige Ausstattung betrifft, so muss man sie um die Mitte erweitern können. Ich möchte so bald als möglich ein Baby haben. Ich möchte viele Kinder bekommen.«
     
     
    7
     
     
    »Ich möchte viele Kinder haben.« Es lag etwas Rührendes in der offenen, vertrauensseligen Art, wie die junge und sehr verletzliche Linda Hillburton der Welt in bräutlichem Weiß entgegentrat.
    Beth dachte daran, dass sie an ihrem Hochzeitstag Peter ein ähnliches Versprechen gegeben hatte. Vielleicht war Linda der Grund, dass sie in der Nacht wieder mit Träumen von Effie Saxton geplagt wurde.
    Nach den zwei Fehlgeburten war Peter so erschüttert gewesen, dass er aufgeben wollte. Bei Beth war aber die Sehnsucht nach einer Familie nur vertieft worden. Das Erlebnis des werdenden Lebens in ihr, die ersten schwachen Bewegungen der Kinder, die dann nie geboren wurden, hatten in ihr zuvor unbekannte Gefühle wachgerufen. Ein Verlangen war geweckt worden, das sich nicht mehr so leicht verdrängen ließ. Zweimal war ihr die Erfüllung ihrer Wünsche vor Augen gestanden, und zweimal war sie ihr grausam entrissen worden. Doch war Beth fest entschlossen gewesen, einen dritten Versuch zu wagen. Damals konnte sie nicht wissen, dass ihr beim dritten Mal zugleich mit der Erfüllung mehr Leid widerfahren sollte, als sie sich vorstellen konnte. Sie konnte nicht voraussehen, dass die besonderen Umstände von Starlas Geburt sie mit Effie zusammenbringen und sie für ewig an diese Frau ketten würden.
    Der Winter war gekommen. Eisverkrustete Bäume ächzten gepeinigt im Wind und am Straßenrand türmten sich die Schneewälle. Wenn Beth im Schnee spazieren ging, spürte sie die Einsamkeit noch viel drückender als sonst. Sie fühlte sich wie auf einem fremden Planeten.
    Ihre nächste Nachbarin war eine alte Frau, eine gewisse Mrs. Richards, die eine Meile von Beth entfernt ganz allein lebte. Beth hatte mit

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